Bern, den 31. Dezember 2011
Sehr verehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, liebe Freunde in der GiG,
2011 – was für ein Jahr! In den Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen und in den Netzen jagen einander in diesen Tagen die mehr oder weniger seriösen und zuweilen satirischen Rückblicke auf ›nachrichtenreiche‹ zwölf Monate. Ein weiterer Rückblick an dieser Stelle sei Ihnen daher erspart. Nur vier Ereignisse will ich aus der Fülle der bewegenden Meldungen herausgreifen, weil sie direkt oder indirekt die GiG betreffen und auch mich persönlich besonders berührt haben.
Das Jahr 2011 begann für mich selbst mit einem wunderbaren Gastsemester an den Universitäten Melbourne und Sydney, zu dem mich Leo Kretzenbacher (Mitglied des GiG-Vorstands) und Peter Morgan (Mitglied des Internationalen Ausschusses der GiG) als Visiting Scholar eingeladen hatten. Aber die täglichen Nachrichten waren bestimmt von den Naturkatastrophen in der Umgebung, den Erdbeben und verheerenden Überschwemmungen in Neuseeland und Australien. Meine Gedanken sind bis heute bei denen, die davon betroffen waren und sind. Durch die Monate in Übersee (und gleichzeitiger Personalreduktion an meinem Lehrstuhl) stockte die redaktionelle und editorische Arbeit an den in Bern eintreffenden Manuskripten für den umfangreichen Band, der aus dem von Corinna Albrecht, Andrea Bogner und Hiltraud Casper-Hehne so vorbildlich organisierten Göttinger Jubiläumskongress der GiG hervorgehen sollte.
Aber dennoch ist es gelungen, die umfangreichen Arbeiten an diesem Band mit der Hilfe eines hoch motivierten Teams von Doktoranden und studentischen Assistenten in Bern noch in diesem Jahr zu einem Abschluss zu bringen und das fertige Typoskript an den Verlag zur Drucklegung zu senden. Damit sollte er unter der gemeinsamen editorischen Verantwortung von Corinna Albrecht, Andrea Bogner und mir trotz der personell bedingten Verzögerungen zu Jahresbeginn wiederum im Folgejahr nach dem Erscheinen des letzten wuchtigen Bandes über die Metropolen (Istanbul) unter dem programmatischen Titel der Tagung (Re-Visionen. Kulturwissenschaftliche Herausforderungen der interkulturellen Germanistik) publiziert werden können (sofern es nicht im Verlag Peter Lang zu Frankfurt durch interne Umstrukturierungen des Produktionsprozesses wieder Verzögerungen gibt, was wir derzeit aber nicht erwarten).
Ende des vergangenen Jahres (2010) hatte die GiG ja auf Einladung ihres Vorstandsmitglieds Aleya Khattab eine überaus erfolgreiche Tagung zum Thema Zwischen Ritual und Tabu in Kairo veranstaltet (s. meinen Rundbrief 4.2./2010 in ZiG 2.1/2011: 185–189; der genauere Bericht über die Tagung folgt dann in diesem Heft der ZiG). Die Wirkung übertraf unsere Erwartungen deutlich: Kaum hatten wir der Stadt den Rücken zugekehrt, brachen dort die arabischen Aufstände aus, die als ›Arabischer Frühling‹ in die Geschichtsbücher eingehen werden. Einige unserer Autor(inn)en wurden dadurch in ihrer Arbeit unterbrochen und baten um zeitlichen Aufschub. Dennoch steht auch dieser Band vor seiner Vollendung und soll noch im selben Jahr 2012 erscheinen.
Er kann aber natürlich nicht die dramatische Entwicklung in einigen der arabischen Länder spiegeln, die wir seither mit großer Anteilnahme verfolgen. Da haben sich die Völker im Norden des afrikanischen Kontinents ihre Freiheit blutig erkämpft – und wählen anschließend mehrheitlich diejenigen, die sie ihnen (besonders den Frauen und den Jüngeren) als erstes wieder nehmen werden. Auf die wirkliche, die politisch-demokratische Freiheit (mit ihrer Voraussetzung der gesetzlichen Trennung von Staat und Religion) werden sie danach wohl, wie es heute aussieht, noch längere Zeit warten müssen.
Das dritte Ereignis, das hier zu nennen wäre, die multiple Katastrophe, die das Gastland unserer 2011 geplanten Tagung in Kyoto heimsuchte, Erdbeben, Tsumami und die Kernschmelze des Atomreaktors in Fukushima mit Auswirkungen bis in die deutsche Innenpolitik hinein – die Kehrtwende der deutschen Atompolitik (»Energiewende«), die historische Wahl einer von Grünen und Sozialdemokraten geführten Landesregierung im bislang konservativ geprägten Bundesland Baden-Württemberg – zwang auch die GiG zur kurzfristigen Änderung ihrer Planung.
Es musste schnell gehandelt werden. Die Tagung wurde ins Frühjahr 2012 verlegt, in die Zeit kurz vor der Kirschblüte, um den interessierten Mitgliedern die unbesorgte Anreise zu erlauben. Gleichzeitig konnten wir, wie wenn wir das alles vorausgesehen hätten, zusätzlich und ersatzweise zu einer Tagung ins schöne Bangkok einladen. Über diese fachlich intensive und in ihrem Ablauf asiatisch harmonische (zudem kulinarisch üppig ausgestattete) Tagung, auf die ich in meinem letzten Rundbrief (5.1./2011 in ZiG 2.2/2011: 199f.) bereits hinwies, werde ich in diesem Heft der ZiG (vgl. S. 203-212) noch genauer berichten für alle, die sie verpasst haben.
Aber auch diesmal erinnerten uns die Bilder in den Medien bald darauf zu unserem Erschrecken an den unbeschwerten Aufenthalt in der von einer Überschwemmungskatastrophe historischen Ausmaßes heimgesuchten thailändischen Hauptstadt. Erneut hat das die Arbeit unserer Autor(inn)en vor Ort beeinträchtigt und führt zu einer Verzögerung der Drucklegung des Buches, das daraus hervorgehen soll. Wir werden aber in Bern unser Möglichstes tun, die Spanne bis zum Erscheinen nicht zu lang werden zu lassen.
Denn schon wirft ja das Colloquium zum Thema Orient im Okzident, Okzident im Orient an der Ritsumeikan Universität in Kyoto seine Schatten voraus, dessen Programm nach Ablauf aller Fristen nun feststeht; kurz vor Weihnachten wurde es an die Teilnehmer versandt. Über die Tagung und den jeweiligen Stand der Vorbereitungen informiert die vom Gastgeber – unserem Vorstandsmitglied Yoshito Takahashi – dafür mit kundiger Hilfe von Yuho Hisayama eingerichtete Homepage:
http://www.ritsumei.ac.jp/acd/re/k-rsc/hss/GIG/index.html
Bitte beachten Sie meine diesbezüglichen Hinweise (insbesondere auch zu den Reisekostenzuschüssen) im letzten Rundbrief. Verfolgen Sie bitte zudem regelmäßig die Rubrik der GiG-Nachrichten in der ZiG. Das nächste Heft wird an diejenigen GiG-Mitglieder versandt, deren Anschrift auf der ›aktiven‹ Mitgliederliste verzeichnet ist (d.h. die Liste derer, die ihren Beitrag pünktlich entrichtet haben und daher den Gegenleistungen erwartungsfroh entgegensehen).
Dies führt mich zu einem letzten Punkt, den ich wie immer zum Jahresende ansprechen muss, der Zeit, in der die Mitgliedsbeiträge fällig werden und die Mahnungen für nicht bezahlte Beiträge verschickt werden. Leider hat wieder mehr als die Hälfte aller Mitglieder keine Beiträge bezahlt! Kein Verein auf der Welt kann so überleben, geschweige die Leistungen bringen, die Sie inzwischen wie selbstverständlich genießen. Bedenken Sie bitte, dass Ihnen in jedem Jahr für einen im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen Gesellschaften sehr bescheidenen Beitrag ein stattliches Buch und eine schnell zu internationalem Ansehen gelangte Zeitschrift zugesandt werden, deren Wert im Buchhandel die Höhe des Beitrags um ein Mehrfaches übersteigt. Wir, d.h. meine Mitarbeiter/in Bernadette Stolz und Yannick Walthert, die gewissenhaft die Listen unserer Buchhaltung führen, und ich appellieren daher eindringlich an Ihre Solidarität mit allen (zahlenden) Mitgliedern und bitten Sie, soweit nicht geschehen, den jeweils fälligen Beitrag zu überweisen. Uns ist bewusst, dass das für Mitglieder außerhalb Europas manchmal umständlich und teuer ist, aber wie bei allen internationalen Gesellschaften gibt es Mittel und Wege (in bar bei den Treffen, über Freunde oder Verwandte, per Hawala-System), den Beitrag zu begleichen, ohne die unangemessenen Gebühren der Banken dafür zusätzlich aufbringen zu müssen. Ich weiß wohl, dass wir gerade in Zeiten von Finanz-, Schulden-, Eurokrisen den noblen Häusern der ›Finanzdienstleistung‹ (die ja der veröffentlichten Meinung zufolge inzwischen manche weniger mit ›Dienst‹ und ›Leistung‹ assoziieren als mit den sieben Plagen der Alten Schriften) keinen zusätzlichen Heller gönnen, aber wir als ein kleiner Verein müssen halt auch unser Budget im Auge behalten, wenn die GiG weiterhin ihre Pflichten solide und im heute gewohnten Umfang erfüllen können soll.
In diesem (aus europäischer Sicht) derzeit gut in die politische Landschaft passenden Geiste (den heute auch die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache beschwor) grüße ich Sie alle sehr herzlich und erhebe, umknallt von leuchtend Feuerwerk und Berliner Böllerschüssen, am heutigen Silvesterabend mein Glas auf Ihr aller Wohl und hoffe im Jahr des Drachen auf ein Wiedersehen in Japan bei guter Gesundheit und in alter Frische!