Bielefeld: transcript 2017 – ISBN 978-3-8376-4018-2 – 44,99 €
Die Autorin wertet in ihrer Dissertation 15 Berichte über Reisen nach Samoa aus, ihr Untersuchungszeitraum reicht vom Auftreten der Missionare in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Einführende Überlegungen zur Diskursanalyse schließt sie mit einem historischen Überblick ab, der von der ersten Benennung des Pazifiks als Mar del Sur durch Vasco Núñez de Balboa im Jahr 1513 zur Teilung des samoanischen Archipels zwischen den Kolonialmächten Deutschland und USA im Jahr 1900 führt und mit der Besetzung des deutschen Teils durch neuseeländische Truppen endet. Im Hauptteil entfaltet Förderer verschiedene Linien des »Diskursfeldes Samoa« (46). Das erste Kapitel thematisiert die diskursive Konstruktion Samoas als Südseeinsel in drei Abschnitten: Nach einer Analyse von Ankunftsszenen und Paradiesvorstellungen geht Förderer auf die Positionierung der samoanischen Bevölkerung im Diskurs über Rassen ein. Die anthropologische Wahrnehmung Samoas wird im zweiten Kapitel anhand verschiedener Rituale und Gebräuche vertieft. Hier geht es auch um die »Anpassungsleistung der Weißen«, die von der Forschung bislang kaum behandelt worden sei (199). Das dritte Kapitel behandelt mit Mission und Schulwesen ideologische Apparate des Kolonialismus, dann auch die politischen Spannungen im Verhältnis der drei vor Ort aktiven Kolonialmächte (Großbritannien, USA, Deutschland). Abschließend erörtert die Autorin die paternalistische Doktrin, die das koloniale Projekt des Kaiserreichs mit der Behauptung rechtfertigt, es sei eine deutsche Aufgabe, Samoa vor dem Einfluss der Zivilisation zu schützen.
Förderer gibt an, dass die Benennung der »samoanischen Inselgruppe« als »Schifferinseln« auf den niederländischen Seefahrer Jacob Roggeveen zurückgehe (62, 96). Dessen Flotte sichtete den Archipel im Juni 1722, aber der Admiral nannte die Inseln, die vor ihm lagen, nach Cornelis Bouman, dem Kommandanten eines seiner Schiffe. Erst Louis Antoine de Bougainville, dessen Flotte im Mai 1768 Samoa passierte, nannte die Inselgruppe den archipel des Navigateurs. Förderer erwähnt in ihrer Rekonstruktion des historischen Kontexts, dass Bougainville Tahiti zum Paradies stilisierte (vgl. 62). Die »Südseereisen« Cooks (ebd.) kommentiert sie mit einer schneidigen Aburteilung: »Gerade bei James Cook, der auf Tahiti ein neues Kythera – den Wohnsitz der Aphrodite – gefunden zu haben glaubte, erfüllte die Freizügigkeit der Frauen die Bedingungen des Macht- und Eroberungsraumes Weißer Männer« (168f.). Aber es war nicht der britische Kapitän, sondern Bougainville, der die Botschaft von ›Venus als der tahitianischen Göttin der Gastfreundschaft‹ nach Europa getragen hatte. Förderer bescheinigt ihrem Buch, dass es eine »wesentliche Forderung der Critical Whiteness Studies« erfülle, »die Sichtbarmachung kolonialer Kontinuitäten mit Bezug auf hegemoniale Weiße Herrschaft« (39). Die Frage stellt sich, ob die Aufarbeitung des historischen Rahmens in dieser Studie eine tragfähige Basis für eine derart weitreichende Kritik bietet.
Den Beginn der Aktivitäten des deutschen Handelshauses Godeffroy im samoanischen Archipel datiert die Arbeit auf 1850 (vgl. 72), doch hat die Firma ihre Filiale dort erst 1857 eingerichtet. Ferner erklärt die Autorin, dass der »Reichstag unter Bismarck« die »Samoa-Vorlage« habe scheitern lassen, die den »drohenden Bankrott des Handelshauses in den 1870er Jahren« (ebd.) abwenden sollte. Die Formulierung suggeriert, dass der Reichstag mit seinem Votum Bismarck gefolgt sei. Der Kanzler stand jedoch hinter dem Gesetz. Bürgerkriegsähnliche Konflikte zwischen zwei samoanischen Fraktionen lässt Förderer in ihrer Darstellung auf folgendes Ereignis zulaufen: »Schließlich kam es bei Streitigkeiten darüber, die beiden Parteien zu entwaffnen, zu dem Gefecht von Vailele vom 8. Dezember 1888«. In einer Anmerkung ergänzt die Autorin: »Einige Deutsche und Samoaner waren unter den Opfern.« (73) Dieser Zusammenstoß ereignete sich in Wirklichkeit zehn Tage später, am 18. Dezember. Das deutsche Geschwader hatte Landungstruppen an die Küste gesandt und die Samoaner schlugen die Offensive zurück. Die Marine hatte 17 Tote zu beklagen. Das sind die höchsten Verluste, die eine gegen das koloniale Machtaufgebot aufbegehrende Gruppe der Kaiserlichen Marine während eines militärischen Konflikts auf einer Pazifikinsel jemals beigebracht hat.
Förderer wirft ihrer Quelle, dem Geographen Georg Wegener, vor, dass er ein vorangehendes »deutsches Bombardement der Insel Manono« einfach »unterschlägt« (ebd.). Dabei beruft sie sich auf Robert Louis Stevensons Bericht, der 1892 erschienen war. Der Schotte bemerkt aber auch, dass noch am 18. Dezember eine Granate des Kanonenboots Eber fünf Samoaner in der Ortschaft Letongo beim Kochen in ihrer Hütte getötet habe (vgl. Stevenson 1892: 213), ohne dass dies bei Förderer Erwähnung fände. Stevenson scheint noch mehr zu wissen: Als später das Dorf Laulii bombardiert wurde, sei es bereits leer gewesen (vgl. ebd.: 221). Doch der Schriftsteller war zum Zeitpunkt des Geschehens noch nicht in Samoa und war bei seinen Erkundigungen auf interessegeleitete Mitteilungen von Informanten angewiesen. Förderer bescheinigt Stevenson aber zu Recht, dass er sich bemüht habe, objektiv, selbstkritisch und ausgewogen zu berichten, auch wenn er die deutsche Aggression in den Vordergrund rücke. Alle drei beteiligten Nationen stellt er gleichermaßen als Krawallmacher bloß. Folgt man Stevenson, dann haben sich die Engländer bei der Beschießung samoanischer Dörfer, oft aus nichtigen Gründen, keine Spur anders verhalten als die Deutschen (vgl. 277).
Während Lapérouse 1787 nach einem ›Massaker‹ an seinem Landungskommando noch auf einen Beschuss der Samoaner verzichtet hatte, weil seine Kanonen die Entfernung vom Riff zum Land nicht überbrücken konnten, verfügte die deutsche Marine ein Jahrhundert später über eine Schiffsartillerie mit erheblich verbesserter Reichweite. Macht man diese Form der asymmetrischen Kriegsführung zum Gegenstand der postkolonialen Kritik, dann wäre es sinnvoll, jenseits des von Förderer ausgewählten Korpus auch militärische Berichte heranzuziehen. Adolph Thamm, damals Matrose auf dem deutschen Kanonenboot Eber, hat Briefe verfasst, in denen er auch auf die Vorgänge vom 18. Dezember eingeht. Thamm erklärt, dass gleich dem ersten Schuss der Bordkanonen »6 feindliche Kanaker« zum Opfer gefallen seien (Thamm 1908: 87). Bei den massiven Vergeltungsaktionen der deutschen Kriegsmarine seien 300 bis 400 Samoaner im Feuer der Batterien verwundet oder getötet worden. Eine Granate allein habe 38 Frauen und 10 Kinder getötet (vgl. ebd.: 88). Dass es auf samoanischer Seite keine entsprechende Erinnerung zu geben scheint, ist kein Gegenargument, sofern man die traumatisierende Wirkung des Granatbeschusses in Rechnung stellt. Die Autorin behauptet, dass »der postkolonialen Forderung, indigene Autorinnen und Autoren – im Sinne Spivaks Subalterne – sprechen zu lassen per se nicht nachgekommen werden« könne (37). Der Förderer bekannte Anthropologe Krämer hat jedoch ein »Kriegstanzlied« aufgezeichnet, das die Emotionen der Samoaner beim Anblick deutscher »Offiziere«, der ali‘i fita fita, dokumentiert. Der Refrain des Liedes lautet: »Ich habe Angst, Angst in dem Glauben, / Dass sie in ihrer Stärke kommen, / Uns mit dem Tode zu bestrafen.« (Krämer 1903: 354)
Förderer meint im Anschluss an ihre Quelle Frieda Zieschank, dass »Mischlinge« von den Kolonisatoren nicht »notwendigerweise als Bedrohung empfunden« wurden: »Eine akute Gefahr ging von ihnen nicht aus« (163, 194). Zieschank unternimmt den Versuch, der dominanten diskursiven Position zu widersprechen, denn es waren gerade die Verhältnisse auf Samoa, die im kolonialen Diskurs häufig genug Anlass boten, die Gefahren einer angeblich drohenden Degeneration heraufzubeschwören. Wilhelm Solf stellt als Gouverneur von Samoa an diesem Punkt am 6. April 1910 so die Machtfrage: »Sollen anständige, reinrassige Weisse die Herren in Samoa sein oder heruntergekommene, verkanakerte Menschen mit Halbblut-Nachkommenschaft?« (Akten 1910: 116f.)
Förderer gibt an, dass ab 1912 in Samoa ein »Mischehenverbot« gegolten habe, das Solf in seiner neuen »Funktion als Kolonialstaatssekretär erlassen hatte, welches nicht zuletzt mit dem Schutz der samoanischen Bevölkerung begründet wurde« (164, vgl. auch 194, 320, 324). In der Tat hatte Solf als eine seiner ersten Amtshandlungen am 17. Januar 1912 eine Richtlinie ausgegeben, die empfiehlt, dass im »Schutzgebiet« Samoa »Ehen zwischen Nicht-Eingeborenen und Eingeborenen« nicht mehr geschlossen werden sollten (Akten 1912: 82, vgl. 161). Die Richtlinie, die den Beamten ein flexibles Verhaltensspektrum öffnet, wurde in der Öffentlichkeit als Verbot ausgelegt und von der Kolonialverwaltung vor Ort entsprechend umgesetzt. Wenn Förderer also mit einer gewissen Berechtigung von einem Verbot spricht, läge als Konsequenz nahe, eine strukturale Kontinuität zu den rassistisch motivierten Heiratsverboten unter der Nazi-Diktatur hervorzuheben. Doch gerade die Existenz einer solchen Diskurslinie biopolitischer Problematisierung von Hybridität bestreitet sie (vgl. 31).
Förderer beziffert die samoanische Bevölkerung während der deutschen Kolonialzeit auf rund 33.000 Menschen. Diesen standen bis 1914 schließlich etwa 600 Europäer gegenüber (vgl. 80). Um die Dimension des Grauens zu begreifen, das mit der europäischen Invasion des Pazifiks einherging, kann man sich vor Augen halten, dass vor der Intensivierung des Kontakts im samoanischen Archipel um 1790 bis zu 70.000 Menschen gelebt haben dürften. 1853 waren es weniger als 34.000. Ursache dieser demographischen Katastrophe waren vor allem die von Europäern eingeschleppten Geschlechtskrankheiten (vgl. Green 2007: 217f.; vgl. auch 206, 210, 229f.). Tahiti und Hawaii waren wesentlich stärker betroffen, offenbar hat sich die Bevölkerung in Samoa seit der Mitte des Jahrhunderts wieder stabilisiert. Ein vages Wissen um die vorausgehende massive Entvölkerung urbarer Landstriche kann man sowohl bei den Kolonisatoren als auch bei den Kolonisierten voraussetzen. Vor diesem Hintergrund muss man die ideologische Rechtfertigung der deutschen Kolonialmacht lesen, die sich als Herrschaft zum Schutz der Samoaner präsentiert hat.
Der Deutsche Richard Deeken warf der US-amerikanischen Kolonialmacht auf der Insel Tutuila in seiner kolonialen Propaganda vor, dass deren Matrosen die samoanischen Frauen mit Geschlechtskrankheiten angesteckt hätten. Er sprach der Kolonialverwaltung der USA die Fähigkeit ab, die einheimische Bevölkerung zu schützen (vgl. 285). Die deutsche Kolonialmacht inszenierte ihre eigene Präsenz im Südpazifik hingegen als Herrschaft über ein ›Schutzgebiet‹. Die »deutschen Schreibenden« gebärdeten sich als die »besseren ›Kolonialherren‹« (293). Wenn deren »Schutzauftrag« beispielsweise bei Georg Wegener noch in Publikationen nach dem Ersten Weltkrieg hervorgehoben wird (vgl. 289, 293, 297), dann im Rahmen einer kolonialrevisionistischen Ideologie. Die Kolonialrevisionisten beharrten darauf, dass man Deutschland in Versailles zu Unrecht den überseeischen Besitz weggenommen habe. Die ›Schutz‹-Behauptung für Samoa bezog zu diesem Zeitpunkt ihre Brisanz aus der Tatsache, dass ein Dampfer aus Neuseeland 1918 die Quarantänevorschriften missachtet hatte, mit der Folge, dass eine Grippeepidemie 22 Prozent der Bevölkerung des westlichen Samoa innerhalb weniger Wochen dahinraffte (vgl. Tomkins 1992: 181). Um den Untersuchungszeitraum abzugrenzen, wäre es für die vorliegende Arbeit sinnvoll gewesen, die diskursive Formation des Kolonialrevisionismus zu diskutieren, der mit dem Verlust der deutschen Kolonien im Ersten Weltkrieg einsetzte.
Die Urszene für verschiedene Schilderungen der Ankunft auch auf Samoa liefert Georg Forsters Beschreibung des ersten Anblicks von Tahiti. Förderer interpretiert das im Diskurs über Samoa wiederholt auftauchende Motiv des Sonnenaufgangs »sinnbildlich« (104), es könne für »das anbrechende ›zivilisierte‹ und aufgeklärte Zeitalter stehen« (105, vgl. auch 87f.). Paradiesvorstellungen werden oft klimatheoretisch begründet. Förderers Gewährsmann Ernst von Hesse-Wartegg erklärt, dass die Samoaner nicht zu arbeiten bräuchten, weil ihnen die »Tropennatur« alles Notwendige biete (109). Die Kehrseite der Medaille ist ein anthropologisches Urteil, das die Samoaner häufig der Faulheit bezichtigt (vgl. 111, 155, 192).
Im deutschen Diskurs über Samoa spielt das Rauschmittel Kava, das aus der Wurzel des Pfefferstrauchs Piper methysticum gewonnen wird, eine besondere Rolle. Die Diskreditierung des Genusses von Kava scheint auf den Reiseschriftsteller Otto Ehlers zurückzugehen, der den Geschmack des Getränks publikumswirksam mit »Seifenwasser« verglich (222f.). Förderer findet den Vergleich in britischen, US-amerikanischen und deutschen Reiseberichten gleichermaßen (vgl. 223f.). Ihre Lektüre zeigt, dass die Quellen teilweise auch eine Überwindung der Ekelreaktion auf der Seite der Kolonisatoren schildern und den Prozess einer Akklimatisierung, ja eine Adaption des insularen Brauchtums reflektieren (vgl. 224f.). Ein eigener Abschnitt ist dem samoanischen Siva gewidmet: »Der Ablauf des Tanzes hatte häufig einen sich steigernden Charakter, für den Begriffe wie Ekstase oder Orgie gewählt wurden, die eine sexuelle Konnotation nicht verhehlten. Beide Begriffe entstammen einem religiösen Kontext.« (228) Förderer wertet einen Text von Deeken aus, der die Raserei eines Tanzes schildert, »bis hin zum Aufschrei der Tänzerinnen« (231). Das habe »ganz klar den Aufbau eines sexuellen Aktes« (ebd., vgl. auch 243, 334). Diese Themen sind in der Literatur über Samoa auch aus postkolonialer Perspektive schon in ähnlicher Weise behandelt worden (vgl. Schwarz 2015: 98-103, 111f.). Drogenkonsum und Ekstase ziehen regelmäßig die Aufmerksamkeit von Diskursen auf sich, die sich mit dem imperialen Ausgreifen Europas befassen. Beide Praktiken bergen die Möglichkeit, die europäische Rationalität außer Kraft zu setzen, das Prinzip der Selbstbeherrschung, um andere zu beherrschen. Sie könnten zu einem Kontakt auf Augenhöhe führen (vgl. Fabian 2001: passim). Der koloniale Diskurs wendet erhebliche rhetorische Energien auf, um solche Situationen abzuwehren. Auch im anthropologischen Diskurs gilt die Regel, dass der teilnehmende Beobachter, der seine Wissenschaftlichkeit unter Beweis stellen möchte, seine Affektkontrolle nicht verlieren darf. Förderer kommt also nicht ohne Grund zu dem Schluss, dass »keiner der Autorinnen oder Autoren« berichte, an einem »Siva aktiv beteiligt gewesen zu sein« (245). Die Ausnahmen bestätigen die Regel, wären deshalb aber von besonderem Interesse. Zu ihnen zählen nicht nur der bereits erwähnte Thamm und der Förderer bekannte Anthropologe Krämer, sondern auch Margaret Mead, die sich im Zusammenhang mit ihrer Feldforschung von ihren samoanischen Gastgebern zur Taupou ernennen ließ. In dieser Funktion tanzte sie auch für die Samoaner.
Förderer erklärt, dass die Taupou in Samoa eine »junge Frau« sei, die »repräsentative Aufgaben in der Dorfgemeinschaft übernahm und unter anderem für die Bewirtung der Gäste zuständig war« (234). Bei einem Besuch der Insel Manono genießt Ehlers die samoanische Gastfreundschaft und lässt sich von einer »Dame« füttern. Ihr Angebot, ihm den Kopf zu massieren, empfindet er als zudringlich. Er streckt ihr deshalb »die Beine entgegen«. Als sie seiner Aufforderung nicht nachkommt, erklärt er sie für »verschnupft« (173). Förderers psychoanalytische Interpretation lautet, dass Ehlers mit dem »Entgegenstrecken der Beine« versucht habe, seine »männliche Dominanz wiederzugewinnen, was aber an dem mütterlichen Konstrukt scheitert, denn die ›Mutter‹ hat sowohl nährende und versorgende Aspekte, kann aber auch willkürlich ihre Aufmerksamkeit und Liebe wieder entziehen, wie hier geschehen« (ebd.). Das Verhalten der Samoanerin war allerdings nicht arbiträr, denn in der samoanischen Kultur gilt es als Beleidigung, jemandem die Fußsohlen hinzustrecken.
Abschließend erklärt die Autorin, dass ihre »Auswertung der Quellen von deutschen, englischen und US-amerikanischen Reisenden« keine wesentlichen Unterschiede zutage befördert habe. Die »jeweiligen Diskurslinien« hätten sich »relativ ähnlich« gestaltet (341). Ein exemplarisches Einzelergebnis lautet: »Die Diskurslinie über die samoanische Gesellschaft war geprägt von der erotischen Aufladung der samoanischen Frauenbilder« (333). »Für Frauen« dagegen sei die »erotische Aufladung der samoanischen Männer nur eingeschränkt möglich« gewesen, »da eine solche Sexualvorstellung der Heimatgesellschaft widersprochen hätte« (ebd.).
Dass ein sexueller Kontakt zwischen einer Kolonialherrin und einem samoanischen Mann jenseits der Grenzen des im kolonialen Diskurs Vorstell- und Sagbaren lag, ist keine neue Erkenntnis. Präzisieren ließe sich, dass es der exotistische Pazifikdiskurs war, der sich im anthropologischen Diskurs bedient und insbesondere die Polynesierinnen mit Berichten über sexuelle Hospitalität erotisiert hat. Spezifisch für Samoa sind eher Details. Förderer macht darauf aufmerksam, dass Hesse-Wartegg eine kleinere Gruppe samoanischer Frauen isoliert und negativ beurteilt habe. Er »rückte diese Samoanerinnen sogar in die Nähe von Prostituierten« (176). »Prostitution« sei das Los »nicht mehr gebrauchter Nebenfrauen« (178). In meiner Geschichte der deutschen Reiseliteratur über Samoa ist die Rede von »ehemaligen samoanischen Konkubinen«, die Hesse-Wartegg »in die Nähe von Prostituierten rückt« (Schwarz 2015: 94). Die Formulierung gibt Anlass zur Vermutung, dass die vorliegende Arbeit pauschal verwendete Sekundärliteratur (vgl. 35) nicht immer angemessen ausgewiesen hat. Auch die Rekonstruktion des historischen Kontexts birgt in dieser Studie diverse Schwachstellen. Ihre Stärke besteht darin, dass die Autorin die zugrunde gelegten Texte über Samoa einer philologisch sehr genauen Lektüre unterzogen hat und so auf der Grundlage verschiedener neu erschlossener Quellen unterschiedliche diskursive Strategien ausdifferenzierter zu beschreiben vermag, als dies der Forschung bislang möglich war.
Akten des Reichskolonialamts (1910): Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde 3065.
Dies. (1912): Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde 5432.
Fabian, Johannes (2001): Im Tropenfieber. Wissenschaft und Wahn in der Erforschung Zentralafrikas. Aus dem Engl. v. Martin Pfeiffer. München.
Green, Roger C. (2007): Protohistoric Samoan Population. In: Patrick V. Kirch / Jean-Louis Rallu (Hg.): The Growth and Collapse of Pacific Island Societies. Honolulu, S. 203-231.
Krämer, Augustin (1903): Die Samoa-Inseln. Entwurf einer Monographie mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Bd. 2: Ethnographie. Stuttgart.
Schwarz, Thomas (22015): Ozeanische Affekte. Die literarische Modellierung Samoas im kolonialen Diskurs. Berlin.
Stevenson, Robert Louis (1892): A Footnote to History. Eight Years of Trouble in Samoa. London.
Thamm, Adolph (1908): Von Kiel bis Samoa. Erste und letzte Seereise mit S. M. Kanonenboot ›Eber‹. Hg. v. Otto Thamm. Neue Ausg. Kattowitz.
Tomkins, Sandra M. (1992): The Influenza Epidemic of 1918-19 in Western Samoa. In: The Journal of Pacific History 27, H. 2, S. 181-197.