›Europäische‹ Räume in Emine Sevgi Özdamars Die Brücke vom Goldenen Horn1

Saniye Uysal Ünalan

Abstract

Spaces and movements between places play an important role in Emine Sevgi Özdamar’s novel The Bridge of the Golden Horn (Die Brücke vom Goldenen Horn, 1998). The title of the novel already contains spatial images like the bridge located in Istanbul. The first-person narrator and the protagonist of the novel is primarily characterized by her experiences related to her travels between Germany and Turkey, as well as within these two countries. The protagonist, at first, starts her journey to Germany due to her work; however, her actual ambition in life is to become a theater actress. Thus, her journey becomes not only a physical one, but also a means to realize her mental change. With reference to Michel Foucault, certain spaces in the novel can be analysed as »heterotopian spaces« which are heterogeneous and have the competence to bring different spaces together in one place. It is the heterogeneous nature of heterotopian spaces which allows connections to the questions of intercultural literary studies related to topics like identity, culture, difference or border. Within such spaces, as well as through spatial structures, the novel generates familiar images and perceptions of Europe and Germany. This article demonstrates that the novel through spatial structures critically reveals the discursive character of the concept ›Europe‹ in its German and Turkish contextualizations. While Emine Sevgi Özdamar’s The Bridge of the Golden Horn sets miscellaneous and yet opposing images of ›Europe‹, it makes clear that the concept of ›Europe‹ is a multilayered and heterogeneous entity which can be handled from different points of view according to the situational and geographical contexts.

Title:

›European‹ Spaces in Emine Sevgi Özdamar’s The Bridge of the Golden Horn (Die Brücke vom Goldenen Horn)

Keywords:

contemporary Turkish-German literature; spatial turn; heterotypes; images of Europe; Emine Sevgi Özdamar (* 1946)

1. Einleitung

Emine Sevgi Özdamars Roman Die Brücke vom Goldenen Horn (1998)2 operiert bereits im Titel mit räumlichen Kategorien. Während das Bild der Brücke ganz allgemein die Verbindung von zwei Orten assoziiert, wird durch die Benennung des Goldenen Horns auf die türkische Metropole Istanbul Bezug genommen. Allerdings sind mit der Stadt Istanbul gemeinhin solche stereotypen Bilder und Wahrnehmungsmuster verknüpft, die entweder von einer Gegenüberstellung bzw. Zerrissenheit oder aber einer Harmonisierung von ›europäischer‹ und ›nichteuropäischer‹ Lebensweise geprägt sind. So heißt es an einer Stelle des Romans: »Die asiatische und die europäische Seite in Istanbul waren zwei verschiedene Länder.« (BGH 215) Diese Differenzmarkierung zwischen dem Europäischen und Nichteuropäischen sowie die damit einhergehende Grenzziehung zwischen diesen beiden räumlich-kulturellen Bezeichnungskategorien erscheint als eine relevante Dimension dieses »weiblichen Schelmenromans« (Mecklenburg 2009: 509) und wird in dessen räumlicher Verfasstheit zum einen und den räumlich fundierten Erfahrungen der Protagonistin zum anderen greifbar. In der Textwelt spielen nicht nur Räume bzw. Orte und die damit einhergehenden Ortswechsel eine wichtige Rolle, sondern erhält in Relation dazu ebenso die Wahrnehmung wie auch Differenzierung von ›europäisch‹ und ›nichteuropäisch‹ eine gewisse Virulenz. Hierbei lässt sich zum einen feststellen, dass der Aufenthalt bzw. die Lokalisierung der namenlosen Hauptfigur und gleichzeitigen Ich-Erzählerin des Romans an bestimmten Orten Berlins eine gravierende Veränderung ihrer Weltwahrnehmung sowie ihres Selbstverständnisses bewirkt.3 Zum anderen wird beobachtbar, dass die aus den räumlich konfigurierten Erfahrungen resultierende Transformation der Protagonistin mit einer expliziten Beobachterpose verknüpft ist, so dass ihre Darstellungen bezüglich ihres Selbst wie auch der sie umgebenden Räume in Deutschland und auch in der Türkei einen ethnographischen Charakter annehmen. Signifikant für diese Darstellungen ist ebenso der verfremdende bzw. komische Gestus, welcher bereits von der Forschung zum wichtigen Kennzeichen des Romans erklärt wurde. Diese Brisanz der räumlich bedingten und konfigurierten Transformationen bzw. Darstellungen der Hauptfıgur macht diesen Roman somit anschlussfähig für eine raumorientierte Lektüre, um die es in der vorliegenden Untersuchung gehen soll. Raum und Raumdarstellung bilden »eine der grundlegenden Komponenten der (fiktionalen) Wirklichkeitserschließung«, denn der Raum ist »in literarischen Texten nicht nur Ort der Handlung, sondern stets auch kultureller Bedeutungsträger«. Zudem kommen »[k]ulturell vorherrschende Normen, Werthierarchien, kursierende Kollektivvorstellungen von Zentralität und Marginalität, von Eigenem und Fremdem sowie Verortungen des Individuums zwischen Vertrautem und Fremdem« (Hallet / Neumann 2009: 11) ganz besonders im Raum zum Ausdruck. Ganz in diesem Sinne soll in der vorliegenden Arbeit demonstriert werden, dass im Brücken-Roman von Özdamar die räumlichen Strukturen sowie räumlich konfigurierten Erfahrungen der Protagonistin auf subtile Weise mit Bildern und Vorstellungen von Europa bzw. Deutschland sowie der Türkei verknüpft sind. Auf diese Weise konstituiert der Roman gleichsam einen kritischen Reflexions- und Aushandlungsraum, innerhalb dessen der Begriff ›Europa‹ sowohl in seiner deutschen als auch türkischen Kontextualisierung auf seine diskursive Verfasstheit hin kritisch beleuchtet und gewissermaßen unterlaufen wird. Da sowohl die Konzentration auf den Raum als auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff ›Europa‹ insbesondere im Zuge des sogenannten spatial turn in den Vordergrund von literaturwissenschaftlichen Forschungen gerückt sind, sollen im Folgenden zunächst der spatial turn und dessen literaturwissenschaftlich anwendbare Ausrichtungen, die auch für die Argumentation der vorliegenden Arbeit leitend sind, ausgeführt werden. Entscheidend ist dabei, dass der spatial turn aus einem postkolonial und geokritisch fundierten Anliegen heraus die hegemonialen Machtstrukturen westlicher Gesellschaften kritisch ins Visier nimmt und gerade daher auch besonders mit einer eurozentrismuskritischen Perspektive verschränkt ist (vgl. Bachmann-Medick 2007: 290). In diesem Rahmen spielt auch der Europabegriff und dessen Neubewertung innerhalb der kulturwissenschaftlichen Raumkonzepte eine Rolle. Bei der Analyse des Romans wird es darum gehen, die als ›heterotop‹ beschreibbaren Räume auszuloten und danach zu fragen, wie die in diesen Räumen zum Tragen kommenden Europabilder konfiguriert sind. Dabei soll das Konzept der ›Heterotopie‹ als Beschreibungsmodell sowie Interpretationsfolie zur Anwendung gebracht und mit Raumkonzepten, die besonders von der interkulturellen Literaturwissenschaft herangezogen werden, in Beziehung gesetzt werden. Auf diese Weise wird es auch möglich sein, die divergierende Vielfalt und das darin enthaltene kritische Potential der Europabilder, die eine wichtige Ebene dieses Romans darstellen, anschaulich zu machen.

2. Der spatial turn und heterotope / heterogene Interaktionsräume

Mit dem cultural turn ist bekanntlich insofern »eine neue Besinnung auf den Kulturbegriff« (Blumentrath u.a. 2007: 14) verbunden, als Kultur nunmehr als eine kontingente, veränderbare und dynamische Größe gedacht wird, deren Konstruktionsmechanismen und -prozesse determiniert, d.h. in keiner Weise objektiv sind (vgl. ebd.: 14-18). Auch die Raumkategorie wird seit spätestens den 1990er Jahren unter dieser Perspektive betrachtet, und das bedeutet, dass »sich in kulturtopographischer Perspektive die Konstruiertheit des Raums und der Konstruktionscharakter der Kultur engführen« (Wagner-Egelhaaf 2005: 745) lassen. So ist auch der »ursprünglich humangeographisch[e] Begriff« (Winkler / Seifert / Detering 2012: 262) spatial turn, der erstmals in Edward W. Sojas 1989 erschienenem Buch Postmodern Geographies (vgl. Soja 1989) zur Anwendung kommt, in diesem Kontext zu verorten.4 Mit dem spatial turn geht insofern »eine Rekonzeptualisierung von Raum selbst« einher, als der Raum sowohl als »kulturell produziert« als auch als »kulturell produktiv« (Hallet / Neumann 2009: 11) gedacht wird:

Der Raum, den wir mit dem spatial turn meinen, ist gesellschaftlich produzierter Raum. Das Wort Verräumlichung wird manchmal verwendet um sicherzustellen, dass nicht nur der physikalische Raum gemeint ist. Wir meinen weder den Raum der Physik noch den Raum der Natur, wenn wir von neuem Raumdenken reden. Wir meinen gesellschaftlich erschaffenen Raum im Sinne eines dynamischen Prozesses. (Soja 2009: 252f.; Hervorh. i.O.)

Insbesondere postkoloniale Ansätze fokussieren den Raum in diesem Zusammenhang als einen von diskursiven Machtbeziehungen geprägten Bereich. Dementsprechend ist ein grundlegender Perspektivenwechsel für den spatial turn insofern kennzeichnend, als der »Raum selbst« als eine Komponente lesbar gemacht wird, die zur Widerspiegelung sowie Verfestigung »bestehende[r] Machtverhältnisse« (Hallet / Neumann 2009: 11) zu fungieren vermag und somit mit einer politisch-ideologischen Implikation versehen ist. Retrospektiv betrachtet werden in der Forschung vornehmlich sowohl Henri Lefebvre als auch Michel Foucault als die wichtigsten »Impulsgebe[r] bei der Proklamation eines spatial turn« (ebd.: 13; Hervorh. i.O.) gesehen:5 Während Lefebvre den Raum nicht mehr nur als physisch-materiell Gegebenes versteht, sondern vielmehr ein Verständnis von Raum als »(soziales) Produkt« (Lefebvre 2007: 330; Hervorh. i.O.) etabliert und auf diese Weise die Affinität der physisch-konkreten Dimension des Raums mit dessen sozial-symbolischer Dimension wahrnehmbar macht, akzentuiert Foucault die Relevanz der Raumkategorie und verweist darauf, dass das Zeitalter der Zeit durch das »Zeitalter des Raumes« (Foucault 2007: 317) abgelöst sei.6 Es ist bezeichnend, dass bei beiden Denkern die Überlegungen zum Raum im Kontext von gesellschaftlichen Machtverhältnissen angesiedelt sind. Denn für Lefebvre, der sich dem Marxismus verpflichtet, ist die Produktion von Raum »aufs Engste mit kulturellen Machtverhältnissen« (Hallet / Neumann 2009: 14) verknüpft. Auch Foucault zufolge sind Analogien zwischen der »gesellschaftliche[n] Produktion von Raum« und der »Konstruktion von Gesellschaft« (Strüver 2009: 75) auszumachen, so dass seine Beschäftigung mit dem Räumlichen unmittelbar innerhalb seines Interessenfeldes hinsichtlich der Machtstrukturen und deren diskursivem Sichtbarwerden in der Gesellschaft zu bewerten wäre (vgl. ebd.: 62).7

Wirft man einen Blick auf die Bedeutung des spatial turn für die Literaturwissenschaft, so zeigt sich sehr schnell, dass hier Raumanalysen in keiner Weise ein Novum darstellen, denn die Untersuchung von Räumen, Raumkonstellationen sowie des Verhältnisses von Räumen und Figuren bilden seit jeher ein wichtiges Forschungsanliegen der Literaturwissenschaft (vgl. Bachmann-Medick 2007: 308f.). So ist beispielsweise auf die raumtheoretischen Ausführungen von Jurij Lotman und Michail Bachtin zu verweisen, die »Erzähltexte als Schlüssel zur kulturellen Konstruktion der Wirklichkeit [lesen], wobei sie die räumliche Beschaffenheit dieser Wirklichkeitskonstruktion in den Vordergrund stellen« (Frank 2009: 64). Die im Zuge des spatial turn angeregten kulturwissenschaftlichen Raumdiskussionen haben jedoch offensichtlich ein vermehrtes Interesse für die Raumperspektive mit einem besonderen Fokus auf den Konstruktcharakter des Raums nach sich gezogen.8 Diesbezüglich formuliert Martina Wagner-Egelhaaf etwa Folgendes:

Der Grundgedanke der kulturwissenschaftlichen Raumdebatte liegt bekanntlich darin, dass Orte und Räume keine natürlichen Gegebenheiten sind, sondern Prozess und Resultat kultureller Praktiken und medialer Verfahren. Und hier scheinen die Literatur und mit ihr die Literaturwissenschaft in besonderer Weise angesprochen. (Wagner-Egelhaaf 2015: 208)

Angesichts ihrer fiktionalen Raumkonstellationen hat somit Literatur das Potential, sowohl auf physische Räume zu verweisen als auch selbst solche Räume zu konfigurieren, die negierend, kritisch oder auch affirmativ auf reale Räume und die damit verschränkten kulturellen Konzepte reagieren und diese umcodieren bzw. unterlaufen können.9 In diesem Zusammenhang kann Edward W. Sojas Konzept des »Drittraums« (»Thirdspace«)10 insofern einen produktiven Ansatz für die Literaturwissenschaft bieten, als dieses Konzept einerseits um »ein räumliches Denken« bemüht ist, »das offen bleibt für das Nebeneinander des ›Realen-und-Imaginären‹« (Winkler / Seifert / Detering 2012: 263), und andererseits es erlaubt, die imaginären Räume mit den »symbolischen Verfahren« der Literatur zusammenzudenken, »mit denen Bedeutungen auf materielle Räume projiziert werden« (Hallet / Neumann 2009: 16).

Dieses Nebeneinander von unterschiedlich profilierten und heterogenen Räumen findet sich bereits bei Foucault, dessen Heterotopie-Konzept11 ebenfalls einen von der Literaturwissenschaft favorisierten Zugang für die Analyse von literarischen Räumen darstellt.12 Allerdings richtet sich das Augenmerk Foucaults dezidiert auf reale, d.h. physisch-materielle Orte »in unserer Zivilisation«, die er als »Heterotopien« (Foucault 2007: 320) bezeichnet.13 Diese gehören gleichsam »zum institutionellen Bereich der Gesellschaft«, stellen jedoch insofern »Gegenorte« dar, als in ihnen »all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt werden« (ebd.). Diese »Gegenorte« können »auslöschen, ersetzen, neutralisieren oder reinigen« (Foucault 2013: 10).14 Dabei zeichnen sich Heterotopien insbesondere durch »die Fähigkeit« aus, »mehrere reale Räume, mehrere Orte, die eigentlich nicht miteinander verträglich sind, an einem einzigen Ort nebeneinander zu stellen« (Foucault 2007: 324). Demnach kommt in Foucaults Ausführungen bezüglich des Raums eine für die heutige Zeit der Globalisierung zweifelsfrei zutreffende Konstante zum Ausdruck, insofern »wir heute in Räumen [leben], in denen Fremdes und Eigenes, wie man sie auch immer auffasst, nebeneinander und gleichzeitig auftreten und wirken.« (Tafazoli / Gray 2012: 16; Hervorh. i.O.) D.h. also, dass vor allem die Heterogenität eine signifikante Charakteristik des heterotopen Raums darstellt. Dieses strukturell zu fassende Kennzeichen erlaubt es, das Heterotopie-Konzept im Rahmen der interkulturellen Literaturwissenschaft15 fruchtbar zu machen, in der bekanntlich Konzepte des Eigenen bzw. Fremden und damit einhergehend von Identität, Kultur, Differenz, Homogenität oder auch Begegnung eine prominente Rolle spielen. Insbesondere hinsichtlich der gesellschaftlichen Strukturierung von asymmetrischen Machtverhältnissen, für die sich Foucault bekanntlich besonders interessiert, fungieren Heterotopien als »ein System von Ein- und Ausschluss« und sind somit »exklusiv oder inklusiv« (Strüver 2009: 75), garantieren jedoch gleichermaßen samt der »Brüche und Widersprüche«, die sich darin gleichzeitig manifestieren, das Bestehen und »Funktionieren des gesellschaftlichen Alltags« (Schreiber 2009: 203).16 Allerdings ist es die Heterogenität des heterotopen Raums, die gleichsam literaturwissenschaftlich gesehen trotz der darin enthaltenen Diversität und Grenzen eine hybridisierende Funktion erfüllt und sowohl als »Ort eines perspektivischen Umwertens« (Tafazoli / Gray 2012: 14) als auch als Schwellen- und Übergangsraum gelesen werden kann (vgl. ebd.: 8). Da Heterotopien Formen »der Ordnung und der Unordnung« wie auch des »Ausschließen[s]«, aber auch der »Öffnung« implizieren, ergeben sich mithin Anknüpfungsmöglichkeiten für die »Kategorien der Identität und der Alterität« (ebd.: 14). »Das gleichzeitige Nebeneinandertreten heterogener Elemente in einem und demselben Raum macht diesen Raum zu einem – mit Foucault – heterotopischen Raum, in dem Interaktionen stattfinden.« (Ebd.: 19)17 Gerade bezüglich fiktionaler Texte, in denen imaginäre und symbolische Räume konstituiert werden, lässt sich festhalten, dass anhand solcher Interaktionsräume vor allem im Hinblick auf die perpetuierliche Dynamik und Veränderbarkeit von kulturellen Bedeutungsträgern der globalisierten Welt festgefahrene Vorstellungen fragwürdig gemacht, somit klare Grenzziehungen zwischen dem vermeintlich Eigenen und Anderen in ein neues Verhältnis gesetzt und neu signifiziert werden können. Insofern also die Heterotopie »laut Foucault das Nebeneinandertreten von zeitlich entfernten und kulturell heterogenen Elementen an demselben Ort voraus[setzt]« und zu einem »Ort der Mischungen« (ebd.: 22) wird, kann ein Zusammenhang mit Bhabhas »Drittem Raum«18 hergestellt werden, auch wenn der bekanntlich nicht als Mischungsraum, sondern vielmehr als ein Aushandlungsraum kultureller Differenzen gilt (vgl. ebd.).19 Folglich ergeben sich auch strukturelle Analogien zum Konzept der Liminalität, das einen produktiven »Spielraum« für die Analyse einer Kultur, »für eine kreative symbolische Umkehrung sozialer Eigenschaften oder gar für eine Dekonstruktion symbolischer Zuordnungen« (Bachmann-Medick 2007: 117) zur Verfügung stellt. Hinsichtlich einer produktiven Anwendbarkeit des Heterotopie-Konzepts in der Literaturwissenschaft sollte unterdessen im Anschluss an Tetzlaff ebenso betont werden, dass vor allem eine »motivische Übernahme der Idee ›anderer Räume‹« zugunsten der Analyse der strukturell-funktionalen Analogien dieser Räume im fiktionalen Text vermieden werden sollte, da Literatur nicht »als reiner Speicher bzw. Container erzählter Wirklichkeit« (Tetzlaff 2016: 12f.) beschreibbar ist. D.h. also, dass jeder fiktionale Text selbst entscheidet und bestimmt, was als Heterotopie eingestuft werden kann (vgl. ebd.: 12).

Für die vorliegende Untersuchung ist an Foucaults Konzept der ›Heterotopie‹ bzw. des ›anderen Raumes‹ demnach vor allem entscheidend, dass darin ein kritisches sowie subversives Potential enthalten ist, welches das Konventionelle bzw. Normierte der gesellschaftlichen Ordnung fragwürdig zu machen und zu destabilisieren in der Lage ist. Gerade daher erweist sich dieses Raumkonzept, das es zudem ermöglicht, nicht miteinander korrelierbare Räume gleichzeitig zu untersuchen, aus der Perspektive der interkulturellen Literaturwissenschaft als besonders tragfähig. Denn es stellt einen methodischen Anknüpfungspunkt dar, die Koexistenz von unterschiedlichen kulturellen Lebensmodellen und Wahrnehmungsmustern wie ›europäisch‹ und ›nichteuropäisch‹ innerhalb eines Raums, deren Kontrastierung sowie Interaktion, aber auch kritische Perspektiven auf ›europäische‹ Werte oder Verhaltensmuster unter die Lupe zu nehmen, wie dies in dem hier zu behandelnden Roman zu beobachten ist.

Die Erkenntnisse bezüglich der ›Konstruiertheit‹ der Kultur und damit einhergehend des Raums wirken sich ebenso in der Bestimmung des Europabegriffs aus. Denn dieser zunächst geographische Begriff wird nunmehr als eine diskursive und kulturelle Entität lesbar gemacht, zumal »Räume und Karten« als »soziale, das heißt gesellschaftliche Produkte« eingeordnet werden und »dementsprechend auf ihre Entstehung, Gemachtheit und Wirkung hin beobachtet und untersucht werden«20 (Walter 2008: 33; Hervorh. i.O.). In den Sozialwissenschaften, so die Ausführungen von Jochen Walter, kommt Europa »als sozial konstruierte[s] Gebilde« zum Tragen, »dem keine vorgängige Gegenständlichkeit oder natürliche Identität zugeschrieben werden kann. Worin Europa besteht und wo es endet, wird als ein sich über die Jahrhunderte wandelnder kommunikativer Aushandlungs- und Hervorbringungsprozess konzipiert« (ebd.: 34; Hervorh. i.O.). Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Europa ausdrücklich als »Ergebnis von performativen (Sprech-)Akten« (ebd.) und folglich als »das Resultat einer diskursiven Konstruktion« (ebd.: 36) ins Blickfeld gerückt wird. Die fragwürdige und prekäre Bestimmbarkeit des Europabegriffs zeigt sich gleichzeitig in der Frage, »ob es sich bei Europa um eine Idee oder einen Ort handelt« (Zelić 2015: 11).21 Offensichtlich scheint »Europa mehr als ein Territorium und ein geographischer Raum mit unbestimmten Grenzen« (Wagner-Egelhaaf 2015: 209) zu sein. Mit dem Europabegriff sind gemeinhin nicht nur geographische bzw. kartographische Vorstellungen verknüpft, sondern es werden damit vor allem auch kulturgeschichtliche und kulturelle Identifikationen assoziiert, wie z.B. eine ›europäische‹ oder aber ›nichteuropäische‹ Identität (vgl. Walter 2008: 38), d.h. Identitätskonzepte, die inkludierende und exkludierende Mechanismen auf den Plan rufen. Gerade auf diesen Punkt verweist Andreas Arndt, wenn er bemerkt, »dass die Rede von Europa schon immer mit Abgrenzungen einhergeht« (Arndt 2015: 110). In Bezug auf die »europäische Identität« hält er weiter fest, dass diese »sich weder geographisch, noch politisch noch ethnisch definieren zu lassen [scheint] – und spätestens im Zeitalter der Globalisierung auch nicht mehr ökonomisch«, denn nach Umfrageergebnissen der Europäischen Kommission vertreten die ›Europäer‹ die Ansicht, »dass es eine europäische Identität nicht gebe« (ebd.). Ähnlich wie der Europabegriff scheint sich auch der ›Europäer‹ vor dem Hintergrund der aktuellen Europakritik sowie -krise22 als »Konstrukt« (ebd.: 111) zu entpuppen. Demgegenüber sieht Wagner-Egelhaaf gerade hierin eine Vielschichtigkeit:

Im Europa-Diskurs überlagern sich unterschiedliche Referenzen: geographische, politische, geschichtliche, wirtschaftliche, kulturelle. Diese Unschärfe des Europa-Begriffs mag man beklagen, aber genau in dieser Interferenz der Bezugsgrößen liegen das Spezifikum und die Produktivität der gegenwärtigen Europa-Debatte. (Wagner-Egelhaaf 2015: 210)

Wagner-Egelhaaf verweist in Bezug auf die Diskussion des Europabegriffs ausdrücklich auf die Relevanz der kulturwissenschaftlichen Raumdebatte bzw. des spatial turn: »Nun scheint zur Raumdebatte mittlerweile hinreichend viel gesagt worden zu sein, im Hinblick auf die Europa-Diskussion haben sich die Ansätze keinesfalls erschöpft.« (Ebd.: 208) Das von ihr in dem Zeitraum von 2012 bis 2015 geleitete Projekt »Wo liegt Europa? Literarische Topographien der Gegenwart« beschäftigt sich auch in diesem Zusammenhang mit der Frage, »welche Rolle Orte und Räume für die aktuelle Europadiskussion spielen«, und »nimmt dabei insbesondere die Gegenwartsliteratur in den Blick« (ebd.).23 Einen aus literaturwissenschaftlicher Perspektive produktiven Ansatz bietet hier vor allem die Zusammenführung der im Zeichen des spatial turn stehenden Raumperspektive mit der Europadiskussion, da die Raumperspektive es möglich macht, »den geographischen Raum, der […] immer kulturell kodiert ist, mit Ideen und Konzepten zusammenzudenken« (ebd.: 209). Diese Ideen und Konzepte können, wie oben erwähnt, mit Identitäten oder aber Weltmodellen zusammengedacht werden, die zweifelsfrei auch in der Literatur ihren Niederschlag finden, da »literarische Texte« definierbar sind »als kulturelle und kulturgeschichtliche Dokumente und Reflexionsmedien, über die eine Gesellschaft in ihren kulturellen und mentalen Dimensionen zu rekonstruieren ist« (Becker 2007: 164). So besteht auch die grundlegende Annahme einer kulturwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaft darin, dass »[d]ie für die Mentalität einer Epoche repräsentativen Sinnkonstruktionen, Normen, Wertvorstellungen und Ideen […] ihren Ausdruck auch in der Literatur« finden (ebd.). Genau an diesem Punkt will auch die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten, indem sie die Raumkonzepte und ihre Funktionen innerhalb der Textwelt von Özdamars Roman ins Visier nimmt und diesbezüglich die darin ausgehandelten Europawahrnehmungen wie auch die damit einhergehenden Wertvorstellungen herausarbeitet.

3. Die Brücke vom Goldenen Horn

3.1 Heterotope Räume und die Transformation der Protagonistin

Özdamars Roman Die Brücke vom Goldenen Horn zeichnet sich aus stilistischer Sicht durch eine »inszeniert[e] Naivität in der Erzählperspektive« (Hofmann 2006: 218) sowie eine damit unabdingbar korrespondierende Verfremdung und Komik aus, die auch in der Özdamar-Forschung mehrfach erwähnt wurde.24 Inhaltlich geht es in dem Roman um den Entschluss der Hauptfigur, gegen den Willen ihrer Mutter als Gastarbeiterin nach Deutschland zu gehen, um anschließend Theaterschauspielerin zu werden. Diese Entscheidung impliziert einerseits einen Bruch mit dem Elternhaus und dessen Lebensanschauungen, andererseits eröffnet sich ihr mit der folgenden Zugreise nach Deutschland sowohl räumlich als auch individuell eine neue, aber auch fremde Welt: Europa. Bei der Ankunft in Deutschland gleicht die Stadt Berlin in der Wahrnehmung der Ich-Erzählerin einem riesigen Gebäudekomplex, der aus unzähligen Türen besteht, worin sich gleichsam die für den Roman so charakteristischen Aspekte der Komik sowie Verfremdung zeigen:

In den ersten Tagen war die Stadt für mich wie ein endloses Gebäude. Sogar zwischen München und Berlin war das Land wie ein einziges Gebäude. In München aus der Zugtür raus mit den anderen Frauen, rein in die Bahnhofsmissionstür. Brötchen – Kaffee – Milch – Nonnen – Neonlampen, dann raus aus der Missionstür, dann rein in die Tür des Flugzeugs, raus in Berlin aus der Flugzeugtür, rein in die Bustür, raus aus der Bustür, rein in die türkische Frauenwonaymtür, raus aus der Wonaymtür, rein in die Kaufhaus-Hertie-Tür am Halleschen Tor. Von der Wonaymtür gingen wir zur Hertie-Tür, man mußte unter einer U-Bahn-Brücke laufen. (BGH 18)

In den Texten Özdamars werden »Räume«, so Ottmar Ette, »stets als Transiträume« und »Durchgangsorte« gedacht (Ette 2005: 188). Auch hier signalisiert das Bild der sich permanent öffnenden Tür eindeutig den Übergang zu bisher unbekannten und neuen Räumen.25 Die neue und fremde Stadt wird an dieser Textstelle aus der Perspektive der Erzählerin räumlich erfahren und dargestellt.26 Strukturell betrachtet kann demnach das wiederholt zum Ausdruck kommende Motiv der Tür wie auch die damit verknüpfte Bewegung zwischen den Türen als eine sich anbahnende Erfahrung der Liminalität gelesen werden, d.h. als ein durch das »Überschreiten einer Schwelle« oder aber »durch Ortswechsel« (Bachmann-Medick 2007: 116) bedingter Zustand der Transformation, der eine Verunsicherung und Infragestellung »gewohnte[r] kulturelle[r] Traditionen und Verhaltensweisen« in Gang setzen und ebenso eine Möglichkeit der »kulturelle[n] Innovation« stimulieren kann (Bachmann-Medick 1998: 22). Ähnlich wie das »Treppenhaus« figuriert die Tür gewissermaßen als ein »Schwellenraum« (Bhabha 2000: 5), d.h. als ein Raum des Übergangs, der im weiteren Verlauf des Romans die Bewegungen und Entfremdungs- bzw. Veränderungsprozesse der Ich-Erzählerin prägen und strukturieren wird. Denn die Ich-Erzählerin hat bereits mit dem Antritt ihrer Reise nach Deutschland zugleich ihr Elternhaus verlassen. So lösen ihre mit dem kontinentalen und kulturellen Ortswechsel einhergehenden Erfahrungen in und an bestimmten Orten gravierende Formen der Entfremdung wie auch eine damit gekoppelte Resignifizierung von kulturellen Zeichen aus, die sowohl auf ihr eigenes Selbst als auch auf den sie umgebenden kulturellen und gesellschaftlichen Kontext bezogen sind. Zudem kann mithin gerade der verfremdende Erzählgestus des Textes mit diesen Erfahrungen der Erzählerin korreliert werden. Auch die folgende Textstelle ist in diesem Zusammenhang zu bewerten: »Die Straßen und Menschen waren für mich wie ein Film, aber ich selbst spielte nicht mit in diesem Film. Ich sah die Menschen, aber sie sahen uns nicht. Wir waren wie die Vögel, die irgendwohin flogen und ab und zu auf die Erde herunterkamen, um dann weiterzufliegen.« (BGH 38f.) Das erzählende Ich nimmt in dieser ethnographisch anmutenden Beschreibung eine räumliche Perspektive auf ihr Umfeld wie auch auf sich selbst ein. An dieser räumlichen Sichtweise fällt jedoch die Zweiteilung in der Darstellung auf, wodurch eine Differenzierung zwischen zwei unterschiedlich geprägten Lebenshaltungen mitimpliziert wird. Während in der szenischen Beobachtung und Darstellung der Ich-Erzählerin Straßen und Menschen in einen Film verlagert und auf diese Weise einem symbolischen Raum zugeordnet werden, der einen statischen und konservierenden Charakter hat und gleichzeitig ausschließend ist, präsentiert sich die Ich-Erzählerin selbstbeobachtend und in der Wir-Perspektive »wie Vögel«, die keinem bestimmten Ort zugeordnet werden können und sich vielmehr durch eine Bindungslosigkeit sowie translokale und somit heterogene Beschaffenheit auszeichnen.

Diese den Beginn des Romans markierenden Textstellen scheinen demzufolge programmatisch die für diesen Roman spezifischen Prozesse der Transformation und des Übergangs zu signalisieren und zu antizipieren. Daher können der Aufenthalt in Berlin sowie die damit unmittelbar verknüpften Erfahrungen und Beobachtungen der Hauptfigur als ein vielschichtig belegter Raum der Transformation, des perspektivischen Umwertens sowie des Austauschs kultureller Konzepte ganz im Sinne des heterotopen Raums bewertet werden, innerhalb dessen unterschiedliche Wahrnehmungen, Reflexionen und Darstellungen von Deutschland und Europa zur Artikulation kommen. In der erzählten Welt des Romans, das wird hierbei deutlich, korreliert die Wahrnehmung Europas weitgehend mit dem Erfahrungsraum der Ich-Erzählerin. Dabei werden die Entitäten Deutschland und Europa undifferenziert gehandhabt und geradezu als Synonyme verwendet, da im Kontext des Romans Deutschland gewissermaßen als Substitut von Europa greifbar wird.

Angesichts seiner heterogenen Beschaffenheit bedarf in diesem Zusammenhang das Frauenwohnheim einer genaueren Analyse. Zieht man das ausschließlich von Gastarbeiterinnen bewohnte Heim als einen ›heterotopen Raum‹ in Betracht, so ist hier zunächst die Gleichzeitigkeit von miteinander nicht kompatiblen Räumen sowie Lebenswelten, d.h. die »Zusammenfügung des Differenten und Anderen« (Tafazoli / Gray 2012: 13), festzustellen: Türkische traditionelle Wertsetzungen bzw. Normen sowie deren Aufhebung, der durch Heimweh und Fremderfahrung geprägte Alltag der Gastarbeiter, die Ideen des Kommunismus wie auch die europäische Literatur sind gleichermaßen im Wohnheim repräsentiert. Überdies erweist sich dieser physische Raum in seiner Symbolik als ein Schwellen- bzw. Interaktionsraum, in dem die Erfahrungen der Liminalität, die von der Protagonistin auch außerhalb des Wohnheims gemacht werden, ausgehandelt werden. Die ersten Anzeichen ihrer Transformation zeigen sich im Verlust spezifischer Rituale wie dem Aufzählen ihrer Toten vor dem Schlafengehen: »Ich schlief dann, bevor ich die Namen aller meiner Toten aufgezählt hatte, ein. So verlor ich langsam alle meine Toten in Berlin.« (BGH 20) Dieser Verlust macht aber neuen Ritualen wie beispielsweise dem Lesen von bisher unbekannten Büchern oder dem Ausgehen in die Berliner Nächte Platz. Bemerkenswerterweise ist es der neue Heimleiter, ein »Künstler und Kommunist« (BGH 30f.), welcher der Ich-Erzählerin und ihren Freundinnen den Zugang zu neuen literarischen wie auch politischen Weltmodellen verschafft, ihre Weltwahrnehmung stark prägt und in gewisser Hinsicht einen Bruch innerhalb der bisherigen Ordnung des Wohnheims bewirkt:

Mit dem kommunistischen Heimleiter fing ein anderes Leben an. Bevor er kam, waren wir im Wonaym nur Frauen gewesen. Die Frauen suchten in den anderen Frauen die Mütter, die Schwestern oder die Stiefmütter, und wie die Schafe, die in einer Regennacht vor Blitz und Donner Angst hatten, kamen sie sich zu nah und drückten sich manchmal bis zur Atemlosigkeit. Jetzt hatten wir einen Hirten, der singen konnte. […] Mit ihm kamen in unser Frauenwonaym andere Männer: Dostojewski, Gorki, Jack London, Tolstoi, Joyce, Sartre, und eine Frau, Rosa Luxemburg. Ich kannte vorher keinen von ihnen. (BGH 35)

Entscheidend an dieser herangezogenen Stelle ist der Umstand, dass insbesondere Bücher neue und ›andere‹ Räume signalisieren und repräsentieren. Denn durch das Medium der Literatur erleben die Bewohnerinnen des Wohnheims, die vor der Ankunft des neuen Heimleiters »nur Frauen« gewesen sind, eine Wandlung hinsichtlich ihrer Identität und somit zugleich ihrer Selbst- und Weltwahrnehmung. Die Erwähnung des Berliner Ensembles und somit des epischen Theaters, das der kommunistische Heimleiter mehrfach besucht und zu dem er auch die Ich-Erzählerin, die ohnehin eine Leidenschaft für das Theater hat, einlädt (vgl. BGH 34), und die empfohlene Engels-Lektüre (vgl. BGH 89) sind in diesem Zusammenhang ebenso vielsagend. Denn mittels dieser textuellen Denk-Welten, die einen literarisch-ästhetischen wie auch politischen Charakter aufweisen, konstruiert der Roman ein kulturelles Bild von Europa, das mit Bildung, Aufklärung und selbstkritischem bzw. reflektiertem Denken enggeführt wird, so dass Europa eine dezidiert positive Aufwertung erhält.27 Der Roman stellt somit insofern eine Analogiebildung von Kultur und europäischer Literatur her, als die Lektüre europäischer Literatur den Bewohnerinnen dazu verhilft, ihre archaischen Angststrukturen abzubauen: »Bald aber kam ein Buch in unser Zimmer, und das nahm mir die Angst vor den Brüdern und vor meinem Vater und Rezzans totem Vater.« (BGH 33) Hier handelt es sich um Oscar Wildes Dorian Gray, dem nahezu eine apotropäische Funktion zugesprochen wird. Wenngleich die Ich-Erzählerin das ihr im Wohnheim vermittelte politische Gedankengut nicht tatsächlich zu begreifen in der Lage ist, öffnen sich ihr dadurch neue politisch codierte Räume wie der Arbeiterverein oder der Studentenverein. Bezeichnenderweise bemerkt sie an einer Stelle des Romans: »Ich hatte keine Ahnung, was Feudalismus war.« (BGH 233) Gewissermaßen bedeutet dies, dass der Aufenthalt im Wohnheim eine gravierende Umorientierung dieser Figur mit sich bringt und parallel dazu ihre politische Einstellung, die zwar oberflächlich bleibt, nicht nur hervorbringt, sondern auch mitbestimmt. Gerade infolge dieser neuen ›politisch‹ geprägten Lebenseinstellung ernten die Ich-Erzählerin und ihre Freundinnen Gül und Rezzan starke Kritik von jenen Mitbewohnerinnen des Wohnheims, denen Tradition und Jungfräulichkeit heilig sind:

Wenn wir drei Mädchen in unser Wonaym zurückkamen, liefen die ersten Frauen schon in ihren Nachthemden über den Korridor. Sie sagten: »Ihr habt euch von euren Müttern und Vätern abgeschnitten. Eure Väter und Mütter sollten euch mit Seilen an sich binden. Ihr werdet eure Diamanten verlieren. Die Knochen eurer Toten werden wegen euch Schmerzen bekommen.« (BGH 85)

Dieses Zitat macht die im Wohnheim waltende Oppositionsbildung unter den Frauen anschaulich, bei der sich die einen dem neuen Leben in Deutschland öffnen, wohingegen die anderen sich diesem verschließen und die europäische Lebensweise als Gefährdung des eigenen Lebensstils wahrnehmen. Hierbei reagieren die Frauen im Wohnheim auf den neuen Heimleiter sehr unterschiedlich, so dass sie sich in Fraktionen aufteilen. Karakuş hält diesbezüglich fest, dass »am Verhalten der beiden Frauengruppen zwei Pole der Reaktion auf die neue Existenz in der Migration« (Karakuş 2015: 91) ablesbar würden. Gerade dies mache auch die »intrakulturellen Differenzen« (ebd.) innerhalb dieser Lager deutlich: »Jetzt wohnten die Kinder mit Kindern, Zuckers mit Zuckers, Esels mit Esels und Huren mit Huren zusammen.« (BGH 41) Dieser sich in der textuellen Wirklichkeit zeigende Konflikt zwischen dem Alten und Neuen, oder anders formuliert, zwischen einer affirmativen und negierenden Haltung gegenüber einer europäischen Lebensweise, könnte demgemäß als eine Reflexionsfolie für die Moderne- und somit Europadiskurse der türkischen Gesellschaft gelesen werden. Das bedeutet also, dass das in Deutschland lokalisierte Wohnheim auch als ein Konfliktraum von innertürkischen Belangen greifbar wird, in dem sich Europabilder abzeichnen. Dass ausgerechnet das Frauenwohnheim diesen Konflikt reflektiert, wäre dadurch erklärbar, dass innerhalb der Verwestlichungsdiskurse in der Türkei die Kategorie bzw. die Repräsentation der ›Frau‹ ohnehin eine markante Rolle spielt. Das emanzipierte Verhältnis der Frau zu ihrem Körper und die Präsenz der Frau in öffentlichen Räumen können als Indikatoren des Verwestlichungsgrades (vgl. Göle 2010: 131-137) gesehen werden. Daher sind in Bezug auf türkische Europabilder oftmals auch Affinitäten zu Frauenbildern festzustellen.28 Entscheidend ist somit, dass der Text das Wohnheim als einen »Ort der Transformation und des Austauschs« (Tafazoli / Gray 2012: 20) modelliert, in dem die Ich-Erzählerin eine beobachtende Perspektive auf die Normsetzungen ihrer Community einnimmt, diese verfremdend darstellt sowie umwertet und gerade dadurch implizit einen Austausch der unterschiedlich codierten Weltbilder bewirkt.

Wichtig wird in diesem Zusammenhang auch die erste sexuelle Erfahrung dieser Protagonistin in Paris. Narrativ betrachtet ist diese Episode vornehmlich durch die Verdoppelung der Ich-Erzählerin und die damit verschränkte Selbstentfremdung gekennzeichnet, so dass sie aus der Außenperspektive das Geschehen beobachtet, zugleich aber im Geschehen selbst agiert29: »Es war, als ob ich als ein zweites Ich neben mir lief.« (BGH 125) Auf diese Weise erzeugt der Roman auf narrativer sowie fiktionaler Ebene einen von der Realität abgehobenen Schwellenraum, innerhalb dessen die Hauptfigur ihren »Diamanten«, d.h. ihre Jungfräulichkeit, verliert (vgl. BGH 127). Dieser Erzählraum innerhalb der Stadt Paris kann in dieser Hinsicht als ›heterotoper Raum‹ bezeichnet werden, da die »Defloration der jungen Frau«, um dies mit Foucault zu formulieren, »in einem ›Nirgendwo‹« (Foucault 2007: 322) stattfindet. Ein solches Nirgendwo liegt hier insofern vor, als diese Stadt für die Hauptfigur zu einem transitorischen Bereich wird, den sie einmalig bereist und mit dem sie in keiner Weise verbunden ist. Dass in diesem Raum die traditionellen Normen ihrer Heimat aufgrund ihrer sexuellen Emanzipation aufgehoben werden, ist offensichtlich. Wichtiger als dieser Punkt ist jedoch der Umstand, dass dieser nebulöse Erzählraum heterogen konfiguriert ist und im Sinne der Liminalität sowie der Heterotopie einen kritischen Aushandlungsraum freisetzt, innerhalb dessen kulturelle Zeichen und kulturelle Zuordnungen in ein verknotetes Verhältnis gesetzt werden. Denn in der Parisepisode macht sich auf sprachlich-literarischer Ebene ein Raum der Mehrsprachigkeit kenntlich, in dem jedoch eine kritisch-analytische Perspektive auf die deutsche Sprache dominiert. In Paris angekommen, begegnet die Ich-Erzählerin einem Deutschen, der sich jedoch für diese Sprache geniert, denn »das ist die Sprache von Goebbels und Hitler« (BGH 120). Bezeichnenderweise kommunizieren die Protagonistin und ihr Geliebter Jordi in englischer Sprache, und sie werden dabei von einem türkischen Lied, einem französischsprachigen und einem englischsprachigen Gedicht begleitet. Hinzu kommt, dass Autoren wie Franz Kafka und Nazım Hikmet hier ebenfalls Erwähnung finden.30 Im Hinblick auf solche punktuell erfolgenden intertextuellen Verweise, die als »Entgrenzungen« beschreibbar werden und mithin »die Erscheinungen der Kultur dynamischer machen« (Sölçün 2002: 110), konstituiert der Roman an dieser Stelle demnach einen produktiven Austausch unterschiedlich verorteter kultureller Komponenten. Es fällt jedoch auf, dass die deutsche Sprache mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands in Verbindung gebracht und auf diese Weise eine kritische Note gesetzt wird.31

3.2 Konkurrierende Europabilder

Diese im Verlauf des Romans punktuell sichtbar werdenden kritischen Beobachtungen in Bezug auf Deutschland können bei genauerer Betrachtung insofern auf Europa erweitert werden, als die in diesem Roman zum Ausdruck kommende Wahrnehmung Deutschlands mit den darin verhandelten Europabildern kongruent ist. Wenngleich die Frauen im Wohnheim durch die Lektüre europäischer Literatur eine Art ›Aufklärung‹ erfahren, so dass ihre traditionell begründeten Ängste verschwinden, wird zugleich eine kritische Perspektive auf Europa, d.h. auf Deutschland, vernehmbar. Dies zeigt sich vornehmlich in der Selbstbeobachtung der Protagonistin bei der Arbeit. Anhand der eindrucksvollen Schilderung ihrer Existenzform in der Fabrik wird erkennbar, wie die Reduktion auf ihre körperliche Arbeitsfunktion im Produktionsraum der Fabrik mit einer sichtbaren Entindividualisierung des Ichs Hand in Hand geht: »Während man arbeitete, vergaß man die Gesichter der anderen Frauen.« (BGH 25f.) Zieht man in Betracht, dass die Fabrikhalle ein von hierarchischen Machtverhältnissen32 durchzogener Raum ist, so ist neben dieser Entindividualisierung ebenso zu vernehmen, dass in der Fabrik die Körper der Arbeitenden in einen statischen Zustand versetzt, d.h. automatisiert werden:

Während der Arbeit wohnten wir in einem einzigen Bild […]. Das Bild hatte seine eigenen Stimmen, man trennte sich aus den Stimmen der Welt und von seinem eigenen Körper. Die Wirbelsäule verschwand, die Brüste verschwanden, die Haare verschwanden. […] Wenn die türkische Dolmetscherin kam und ihr Schatten auf dieses Bild fiel, zerriß das Bild wie ein Film, der Ton verschwand, und es entstand ein Loch. (BGH 17)

In dieser Textpassage wird das Erzählen mit dem Verfahren des Fotografierens vergleichbar, denn das beobachtende und erzählende Ich transponiert narrativ das arbeitende Ich in die Statik des Bildes, so dass entlang dieser Darstellungsform die Fabrikszene als heterotoper Raum beschreibbar und zudem der liminale Zustand der Erzählerin fassbar wird. Dem Produktionsraum der Fabrik ist einerseits eine eigene Dynamik des Ein- und Ausschlusses immanent, so dass die darin Arbeitenden von der Außenwelt abgeschnitten werden, andererseits ist er für das Funktionieren der ökonomisch orientierten modernen Gesellschaften von zentraler Bedeutung. Erzähltechnisch wird dieser Raum vornehmlich mithilfe des erzählerischen Bildvergleichs und der Lochmetapher dahingehend perspektivisch umgedeutet, dass ganz allgemein die Reduktion und Isolierung des arbeitenden Körpers innerhalb der auf Produktion und Gewinn bedachten Gesellschaften offengelegt werden. Insbesondere die skurrile Erwähnung des Lochs erscheint wie eine spielerische Erzähltechnik, anhand derer es möglich wird, die Arbeitsform in der Fabrik »in sich widersprüchlich« (Bachmann-Medick 2007: 117) zu machen und zu verfremden, insofern das Loch einen Bruch sowohl in der Erzählung als auch in der Darstellung auslöst. Demnach veranschaulicht das herangezogene Zitat, dass die Entfremdungserfahrung der Hauptfigur innerhalb der Fabrik im Grunde nicht nur kulturell bedingt ist, sondern sich ebenso auf die Produktions- und Arbeitsverhältnisse moderner Gesellschaften schlechthin bezieht. Das gebrochene Verhältnis zum eigenen Körper und die gleichzeitige Entkörperlichung33 wären auch in diesem Zusammenhang zu bewerten.

Der Roman bezieht sich unterdessen gleichsam auf Orte von deutscher Vergangenheit und Gewalt, wodurch ein explizit negatives und fragwürdiges Europabild zum Tragen kommt, das im Sinne einer Relektüre des 1944 erstmals erschienenen kulturkritischen Grundlagenwerks Dialektik der Aufklärung (vgl. Horkheimer / Adorno 2006) aus interkultureller Sicht zu betrachten wäre.34 Auch in Özdamars Die Brücke vom Goldenen Horn sind kulturkritische Akzentuierungen enthalten, die auf die Dialektik der Aufklärung und ihrer unter dem Eindruck der Verbrechen und Katastrophen des Zweiten Weltkriegs entstandenen Fundamentalkritik an der rationellen Vernunft zurückverweisen. Angedeutet wurde dies bereits anhand der Parisepisode, die sporadisch auf die tragischen Ereignisse des Dritten Reiches hinweist. In diesem Zusammenhang kann die fiktionale Konzeptualisierung des Anhalter Bahnhofs, den die Erzählerin und ihre beiden Freundinnen bezeichnenderweise zum »beleidigten Bahnhof« umtaufen und auf diese Weise eine Neucodierung sowie -perspektivierung einleiten, als heterotoper Raum bezeichnet werden. Dieser »war nicht mehr als eine kaputte Wand und ein Vorbau mit drei Eingangstoren« (BGH 28). Mit diesem Bild macht der Roman offensichtlich auf die gewaltsamen sowie destruktiven Facetten der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands aufmerksam. Die Bezeichnung »beleidigt« verweist, wie Prinz einsichtig ausführt, auf »eine Verwundbarkeit durch historische Ereignisse […], die zudem an bundesrepublikanische Befindlichkeiten anknüpfbar ist« (Prinz 2010: 186). Allerdings wird der Anhalter Bahnhof zugleich als ein Überlappungsraum von deutscher Vergangenheit und subjektiver Erfahrungsform und somit als ein »Drittraum« im Sinne Sojas beschreibbar. Denn der physisch-materielle Raum erhält durch die drei Frauen eine neue individuelle und symbolische Bedeutung35:

Wenn wir mit den Imbißbulettentüten in der Nacht ein Geräusch machten, hielten wir den Atem an und wußten nicht, ob wir es waren oder jemand anderes. Dort auf dem Boden des beleidigten Bahnhofs verloren wir die Zeit. Jeden Morgen war dieser tote Bahnhof wach geworden, Menschen sind da gelaufen, die jetzt nicht mehr da waren. Wenn wir drei Mädchen da liefen, kam mir mein Leben schon durchlebt vor. Wir gingen durch ein Loch hinein, gingen bis zum Ende des Grundstücks, ohne zu sprechen. Dann liefen wir, ohne es uns zu sagen, rückwärts zurück bis zu dem Loch, das vielleicht einmal die Tür vom beleidigten Bahnhof gewesen war. (BGH 28)

Dieser »tote« Ort wird offensichtlich durch den Aufenthalt und die performativen Bewegungen der drei Frauen zu einem subjektiven und ›lebendigen‹ Raum verwandelt (vgl. Bayrak / Reininghaus 2013: 25).36 Es ist vor allem die Bezeichnung ›Loch‹, die zum einen auf den historisch zu betrachtenden Bruch in der deutschen Vergangenheit hinweist und zum anderen die Möglichkeit der Umwertung dieses Ortes durch diese »drei Mädchen« deutlich macht. So wird etwa der Bahnhof auch an anderer Stelle personifiziert dargestellt: »Keiner konnte uns hören außer diesem kaputten beleidigten Bahnhof.« (BGH 54) Der Roman konfiguriert demnach den Anhalter Bahnhof als einen individualisierten historisch-gesellschaftlichen Raum, der durch die drei Frauen neu codiert und somit gleichzeitig rehistorisiert wird. Gerade im Hinblick auf dieses Zusammenkommen von miteinander nicht zu vereinbarenden kulturellen Komponenten wie deutscher Geschichte und türkischer Migration erzeugt der Roman demnach an dieser Stelle einen heterotopen Raum, der gleichzeitig als interaktiver Aushandlungsraum mit der deutschen Vergangenheit lesbar wird.

Überdies wird im zweiten Teil des Romans in der Theaterschule in Istanbul der Holocaust als ein Teil des kollektiven Gedächtnisses intermedial in Form eines Fotos zitiert, auf dem ein toter Jude in einem Konzentrationslager abgebildet ist. Der Lehrer zeigt der Protagonistin dieses Foto, und diese soll das Gefühl, welches das Foto ihr vermittelt, theatralisch inszenieren. Dabei ist es bemerkenswert, dass sich diese Szene im Theater abspielt, da das Theater als Motiv betrachtet schlechthin einen »anderen Raum« mit gesellschaftskritischem Potential konstituiert und mit einer »Kommentarfunktion« (Tetzlaff 2016: 20) bezüglich der gesellschaftlichen Realität versehen ist: »So bringt das Theater auf dem Rechteck der Bühne nacheinander eine ganze Reihe von Orten zur Darstellung, die sich gänzlich fremd sind.« (Foucault 2013: 14) Die Ich-Erzählerin beschreibt dieses Foto und ihre Reaktion folgendermaßen:

Er gab mit ein Foto. Ein Toter lag mit offenem Mund auf der Erde, er war so mager wie ein Skelett, nackt, seine Wangenknochen, seine Knie und Schulterknochen ragten aus dem Körper heraus, als ob er in einer Wüste läge und der Körper langsam austrocknete. Aber es gab Bäume in seiner Nähe auf dem Foto. Ich ging auf die Bühne, schaute mir das Foto zwei Minuten lang an, schrie und warf mich hin und her, zog an meinen Haaren und kotzte wirklich auf die Bühne. (BGH 199)

Das Erbrechen als physische Reaktion auf dieses Foto scheint an dieser Stelle einen Akzent auf den Körper bzw. den Vergegenständlichungsprozess des Körpers zu setzen. In der detaillierten Beschreibung des Fotos bildet der tote Körper des anonymen Juden einen klaren Kontrast zu den lebendigen Bäumen in der Umgebung, d.h., es wird hier die momenthafte Aufnahme des leblosen Körpers in den Vordergrund gerückt. Dabei wird insbesondere durch die Fokussierung der einzelnen und toten Körperteile wie des Mundes, der Wangenknochen, der Knie und der Schulterknochen die Entindividualisierung bzw. die Materialisierung des Körpers deutlich gemacht. Hier könnte somit eine Parallele zu der oben besprochenen Fabrikszene hergestellt werden, in der es ebenfalls um eine momenthafte und bildliche Schilderung der Frauen und ihrer Körper während der Arbeit geht. Das symbolische Verschwinden der Wirbelsäule, Brüste sowie Haare (vgl. BGH 17) der Arbeiterinnen erlaubt hier einen Vergleich zum leblosen Körper des Juden, da ihre Körper eine Reduktion auf Arbeit bzw. Produktion erfahren und somit in ihrer Vergegenständlichung wahrnehmbar werden. So zeichnen sich sowohl der Körper der Fabrikarbeiterinnen als auch der des Juden dadurch aus, dass sie de facto oder, wie oben dargestellt, symbolisch verschwinden bzw. leblos sind. Diese strukturell ähnlichen Bilder machen demnach anhand der Vergegenständlichung des Körpers die Entindividualisierung der Juden sowie der Fabrikarbeiterinnen anschaulich. Mithilfe dieser Darstellungen der Arbeitsmigration bzw. der Fabrikarbeit wie auch der deutschen Vergangenheit, so könnte formuliert werden, entsakralisiert und dekonstruiert der Roman in gewisser Hinsicht den ›heiligen‹ Charakter Europas, so wie dieser insbesondere aus der türkischen Perspektive auf Deutschland inszeniert und gedacht wird, und leitet dementsprechend eine Entmystifizierung ein. Denn diese Textstellen, in denen zum einen der Jude und zum anderen der Gastarbeiter zur Darstellung kommen, machen sichtbar, dass Europa auch durch eine nichthumanitäre Haltung im Umgang mit dem ›Anderen‹ gekennzeichnet ist. Es ist dieser kulturkritische Gestus, der genauso wie der komische und humorvolle Stil als eine spezifische Eigenart dieses Romans gelten darf.

Indes stellt Europa innerhalb der Textwelt insbesondere im zweiten Teil des Romans einen Raum dar, der aus türkischer Perspektive als ein ›Objekt des Begehrens‹ greifbar wird. Als die Protagonistin nach ihrem langen Berlinaufenthalt wieder zurück in ihrem Elternhaus ist, bekommt sie von ihrem Vater folgenden Wortlaut zu hören: »Deine Mutter wollte auch eine Europäerin werden. Sie hat sich die Haare blond färben lassen.« (BGH 170) Diese simple Bemerkung des Vaters enthält einen satirischen Beigeschmack, da sie auf eine subtile Weise erkennen lässt, dass die Kategorie ›Frau‹ als ein Zeichen fungiert, das zur Sichtbarmachung der Europäisierung dient und gleichzeitig auf die Relevanz Europas hinweist. Gleichzeitig fällt hier auf, dass im Roman auf ironische Weise das ›Blondsein‹ zum zeichenhaften Indikator der Europäisierung gemacht wird. Auf diese Weise trägt der Roman dazu bei, kritisch darüber zu reflektieren, mit welchen Inhalten und Bedeutungen in der Türkei ›Europa‹ überhaupt signifiziert wird. In welchem Ausmaß Europa als ›geographische‹ oder ›kulturelle‹ Entität zum Maßstab der eigenen Selbstbewertung gemacht wird, belegt die folgende Textpassage:

Europa war ein Stock, mit dem man sich gegenseitig die Köpfe einschlug. »Wir sind zu sehr à la Turca«, sagten die Türken und wußten nicht, daß selbst dieser Ausdruck aus Europa kam. »Sei nicht so à la Turca«, »Mach nicht auf à la Turca«. Europäisches Aspirin heilte Herzkrankheiten. Bei europäischen Stoffen konnte man aus 40 Metern Entfernung erkennen, wie gut sie waren. Europäische Schuhe konnten nie kaputtgehen. Europäische Hunde hatten alle in den europäischen Hundeschulen studiert. Europäische Frauen waren echte Blondinen. Europäische Autos machten keine Unfälle. (BGH 242)

Dieses Zitat zeigt auf eine überspitzte und ironische Weise, dass in der Wahrnehmung der Türken alles, was mit Europa zu tun hat, zum Zeichen und Symbol des Besseren ›gemacht‹ wird, wodurch ein pejoratives Selbstwertgefühl entsteht. Demnach kann diesbezüglich argumentiert werden, dass der Roman gerade durch seinen verfremdend-komischen und mitunter parodistischen Impetus diese idealisierten Europabilder als Stereotype37 offenlegt. Damit im Einklang steht auch die Tatsache, dass dadurch das unter negativem Vorzeichen stehende Selbstbild ebenso als ein Auto-Stereotyp greifbar gemacht wird. Auch als die Hauptfigur bei ihrer Forschungsreise in den Osten der Türkei einen hohen Offizier kennenlernt und mit ihm ins Gespräch kommt, werden diese Stereotype aufgegriffen:

Schaut euch diese jungen Menschen gut an. Sie werden die Türkei in das Milieu der modernen Länder bringen. Sie sind unsere Augenlichter. Europa wird vor Staunen in seine Finger beißen. Vorwärts. Marsch, Kinder. Was unser Land leidet, leidet es wegen der unmodernen Köpfe. Wenn alle modern wären, gäbe es weder Mord noch Totschlag. Zum Beispiel: Wenn ich nicht ein moderner Mensch gewesen wäre, wäre ich jetzt ein Mörder. Wir hatten geheiratet, und in der Hochzeitsnacht kam kein Blut. Wenn ich, meine Herrschaften, nicht ein moderner Mann gewesen wäre, hätte ich meine Frau getötet. (BGH 267)

Moderne wird hier einerseits mit Europa und andererseits mit zivilisierten sowie humanen Wertsetzungen in Verbindung gebracht. Stellt man an dieser Stelle eine kontrapunktische Verbindung zu einer Szene her, in der die Protagonistin mit einer vollkommen abstrusen Gewalt gegenüber ihrem Körper konfrontiert wird, entpuppt sich dieses Europabild der Türken innerhalb der Textwelt als eine Persiflage. In der besagten Szene geht die Ich-Erzählerin mit einem jungen Mann, den sie in der Kneipe kennenlernt, in eine Villa. Als sie zusammen mit Freunden einen Charlie-Chaplin-Film anschauen, drückt einer der Jungen unbegründet »seine brennende Zigarette« (BGH 76) auf ihrem Rücken aus. Sie ist bei diesem befremdenden Ereignis so irritiert, dass sie reaktionslos bleibt und schweigt. So heißt es wiederum an anderer Stelle des Romans in Bezug auf den Film Das Schweigen von Ingmar Bergman resümierend folgendermaßen: »Bergman will uns zeigen, daß Europa die Scheiße gegessen hat.« (BGH 46) Dieser irrationale und für den weiteren Handlungsverlauf irrelevante Gewaltakt macht indes evident, dass die aus türkischer Perspektive auf überspitzte Art idealisierte Form von Humanität und Zivilisiertheit Europas eine Illusion ist, da sie in diesem Ausmaß nicht existiert und auch die Menschen in Europa eine ›andere‹, d.h. inhumane und gewaltvolle Seite haben können. Sofern man also das oben beschriebene ›positive‹ Bild von Europa mit solchen ›negativen‹ Europabildern, die sich insbesondere auf die Verbrechen Deutschlands während der nationalsozialistischen Zeit beziehen, ins Verhältnis setzt, wird plausibel, dass der Roman offensichtlich miteinander konkurrierende Europabilder in Szene setzt, die darauf hindeuten, dass das Objekt des türkischen ›Begehrens‹ in dieser Form gar nicht vorhanden ist, sondern aus türkischer Perspektive durch performative Sprechakte hervorgebracht und als idealisiertes Kontrastbild diskursiv erzeugt wird. Nachdem die Hauptfigur nach ihrem ersten Berlinaufenthalt nach Istanbul fährt, wird sie von ihrem Vater mit dem Auto durch die Stadt gefahren. Als der Vater bei dieser gemeinsamen Fahrt durch die Stadt eine Frau mitnimmt, die an einer Haltestelle auf den Bus wartet, findet im Auto das folgende Gespräch statt:

Das ist meine Tochter, sie kommt gerade aus Deutschland, sie hat Europa gesehen.« Die Frau antwortete: »Europa gesehen zu haben ist eine feine Sache. Man sieht einem Menschen im Gesicht an, daß er Europa gesehen hat. Die Europäer sind fortschrittlich, wir treten mit unseren Füßen auf der Stelle und bewegen uns einen Schritt vor und zwei Schritte zurück. (BGH 103)

Bemerkenswert ist dieses Gespräch insbesondere, weil es zwischen Menschen stattfindet, die sich zum ersten Mal begegnen. Dieses Bild von Europa und das dadurch mitassoziierte negative Selbstbild legt der Protagonistin eine Frau dar, die sie gar nicht kennt, was darauf schließen lässt, dass diese Bilder Gemeinplätze, d.h. Auto-Stereotype, sind. Gerade dieser Punkt macht die diskursive Beschaffenheit einer solchen Wahrnehmung von Europa anschaulich.

Im zweiten Teil des Romans kommen auch der »Cinemathek« und dem »Kapitän-Restaurant« eine signifikante Bedeutung zu. Beide Orte befinden sich bezeichnenderweise im europäischen Teil der Stadt und sind als Schauplätze der Intellektuellenszene zu definieren. So könnten diese beiden Orte im Sinne Foucaults als Gegenorte bezeichnet werden, da die dort anzutreffenden Intellektuellen für die Rechte der Arbeiter eintreten und somit auch die bürgerliche Gesellschaft verändern wollen. Allerdings haben diese Orte einen Pseudocharakter, denn sie werden lediglich mit elitären Männern verbunden, die keine wirkliche bzw. authentische Anbindung an die Gesellschaft haben und daher auch nicht in der Lage sind, ihre vermeintlichen Zielsetzungen zu realisieren:

Die Straßenfeger aber, die von ihren linken Gewerkschaften zur Cinemathek geschickt worden waren, kamen nie mit uns ins »Kapitän«-Restaurant. Ich hörte öfter, daß sie vor dem Kino »Schnell, es ist Nacht geworden« sagten und sich beeilten. Wenn dann die Arbeiter und die Intellektuellen in unterschiedlichem Tempo losgingen, sah es so aus, als ob es zwei unterschiedliche Nächte gäbe. Eine Nacht gehörte den Arbeitern zum Schlafen, und die andere gehörte den Intellektuellen zum Weitermachen. (BGH 208)

An dieser Textstelle wird gerade anhand der Verräumlichung der Nacht deutlich gemacht, dass eine unüberbrückbare Kluft zwischen den ›europäisch‹ denkenden Intellektuellen und den türkischen Arbeitern besteht: Es gibt zwei unterschiedliche Nächte, die sich diametral gegenüberstehen und dementsprechend von zwei konträren Gruppen ›bewohnt‹ werden. Diese Diskrepanz zwischen Intellektuellen und Arbeiterklasse wird auch darin erkennbar, dass die Arbeiter nicht ins »Kapitän-Restaurant« gehen. ›Europäisch‹ codierte Räume, so lässt sich jedenfalls für diese Textstelle formulieren, werden somit zu isolierten Orten mit dem Potential der Ein- und Ausgrenzung, zu denen nicht alle gleichermaßen Zugang haben.

4. Schluss

»Wie kann man wissen, wo der Ort des fremden Wassers anfängt, wenn die Grenze selbst aus Wasser besteht?« (Tawada 2006: 67f.) Auf diese Weise unterzieht Yoko Tawada in ihrem Buch Wo Europa anfängt die Idee einer Grenze und damit zusammenhängend der Ein- und Ausgrenzung einer scharfen Kritik. Emine Sevgi Özdamars Brücke vom Goldenen Horn stellt ebenfalls die begrifflichen Grenzen Europas und die damit verschränkten Konzepte in Frage. Ohnehin wird in den Texten dieser Autorin Europa »von jeher in Bewegung« und »als Bewegung« (Ette 2005: 201) beschrieben. Die in Anlehnung an Foucaults Konzept als ›heterotope Räume‹ lesbar gemachten Räume wie das Frauenwohnheim, die Fabrik, der Anhalter Bahnhof, die Cinemathek oder etwa das Restaurant sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung: In diesen Räumen, die zugleich als Aushandlungsräume konzipiert sind, kommen einerseits die negativen Facetten der Arbeitsmigration sowie der deutschen Vergangenheit und andererseits die Konflikträume der türkischen Modernisierung sowie weit verbreitete türkische Stereotype von Europa zur Geltung. Anhand der räumlich strukturierten Europabilder regt Emine Sevgi Özdamars Brücke vom Goldenen Horn dazu an, stets darüber zu reflektieren, von ›welchem Europa‹, aber auch zugleich von ›wessen Europa‹ die Rede ist. Der Roman unterläuft somit ein statisch gedachtes Bild von Europa und legt dabei die heterogene, vielschichtige und polyperspektivische Beschaffenheit dieser Entität offen.38 Dabei inszeniert der Roman unterschiedliche und miteinander konkurrierende Europabilder, die je nach situativem und geographischem Kontext unterschiedlich semantisiert werden. Dies hat zur Folge, dass der Roman einen heterogenen Raum von zeitlich und kulturell differierenden Europabildern konstituiert, die einen kritischen Interaktionsraum eröffnen. Gerade auf diese Weise macht der Roman kenntlich, dass es ›das‹ Europa per se nicht gibt, und bietet eine kritisch-analytische Perspektive, anhand derer es möglich wird, unterschiedlich modellierte sowie kontextualisierte Europawahrnehmungen differenziert zu handhaben, was allerdings auch bedeutet, dass dadurch die eindeutige Bestimmbarkeit des Europabegriffs in Frage gestellt wird.

Anmerkungen

1 | Der vorliegende Artikel ist die stark überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags, den ich unter dem Titel »›Andere Räume‹ und Europa-Bilder in Emine Sevgi Özdamars Die Brücke vom Goldenen Horn« am 12. Mai 2016 auf dem XIII. Internationalen Germanistik-Kongress an der Akdeniz Universität Antalya gehalten habe.

2 | Im Weiteren werden Zitate aus diesem Roman (vgl. Özdamar 2011) mit der Sigle BGH und unter Angabe der Seitenzahl in einfachen Klammern direkt im Text ausgewiesen.

3 | Diesen Aspekt habe ich auf der internationalen Tagung »Raum als heterogenes Gebiet: Rauminszenierungen und Raumdarstellungen in Sprache und Literatur« im Rahmen der Germanistischen Institutspartnerschaft Universität Paderborn / Ege Universität Izmir am 11. November 2015 in Izmir im folgenden Vortrag behandelt: »Transkulturelle Räume und weibliche Identität in den Romanen Sinekli Bakkal von Halide Edip Adıvar und Die Brücke vom Goldenen Horn von Emine Sevgi Özdamar«. In der vorliegenden Arbeit konzentriere ich mich hingegen auf die räumlich konfigurierten Europa-Bilder, die in Özdamars Brücke vom Goldenen Horn zu beobachten sind.

4 | Döring und Thielmann verweisen allerdings darauf, dass dieser Begriff für die weitere Argumentation von Sojas Buch keine tragende Rolle spiele (vgl. Döring / Thielmann 2009a: 7).

5 | In seiner Arbeit Heterotopie als Textverfahren argumentiert Stefan Tetzlaff, dass der spatial turn im Grunde »nicht so neu« sei und dieser bereits bei Georg Simmels im Jahre 1903 erschienener Soziologie des Raums datiert werden könnte (Tetzlaff 2016: 6).

6 | Siehe zur Begriffsbestimmung in der Forschung: Winkler / Seifert / Detering 2012: 254; Hallet / Neumann 2009: 11-14; Döring / Thielmann 2009a: 7-9; Günzel 2017: 75.

7 | Blickt man neben der Begriffsgeschichte des spatial turn auf die in der Tat sehr unterschiedlichen Rezeptionsstränge und Ausrichtungen innerhalb der Kultur- und Literaturwissenschaften, so wird in erster Linie eine eminente »Unterbestimmtheit« (Döring / Thielmann 2009a: 13) sowie Vagheit des Begriffs feststellbar. Neben der »sozialkonstruktivistischen« Raumvorstellung Edward W. Sojas, welche er insbesondere in Anlehnung an Lefebvres Raumkonzept ausarbeitet, geht es beispielsweise dem Geschichtswissenschaftler Karl Schlögel lediglich um »eine konkrete räumliche Verortung historischer Prozesse« (Hallet / Neumann 2009: 12). Zu der Diversität des Raumparadigmas siehe den Sammelband Spatial Turn. Das Raumparadigma in den Kultur- und Sozialwissenschaften von Döring / Thielmann (vgl. 2009b). In der Einleitung dieses Bandes verweisen die Herausgeber auf eine gravierende Problematik bzw. »Merkwürdigkeit« der Raumdiskussionen in den Kultur- und Sozialwissenschaften, zumal »[ü]ber den spatial turn […] innerfachlich diskutiert [wird], aber mit Rekurs auf ein transdisziplinäres Raumparadigma, das sich wiederum nirgendwo so recht begründet findet« (Döring / Thielmann 2009a: 10; Hervorh. i.O.). Auf der anderen Seite finden in Bezug auf die Raumwende in der Forschung neben dem spatial turn auch die Bezeichnungen topographical turn und topological turn Verwendung, jedoch besteht in der Forschungspraxis kein eindeutiger Konsens, inwiefern diese Bezeichnungen voneinander zu trennen sind. Dies gilt insbesondere für den topographical turn, der vornehmlich »als spezifisch literaturwissenschaftliche Ausformung des spatial turn« (Winkler / Seifert / Detering 2012: 259; Hervorh. i.O.) verstanden wird. Siehe dazu die von Sigrid Weigel angestoßene Debatte um die Kontrastierung von spatial turn und topographical turn (vgl. Weigel 2002). Stephan Günzel versucht die drei Begriffe aus kultur- und sozialwissenschaftlicher Sicht voneinander abzugrenzen und auf ihre Verwendungsbereiche hinzuweisen (vgl. Günzel 2009). Siehe zu diesen drei Raumwenden ebenso Günzel 2017: 110-116. Wenngleich der topographical turn vornehmlich von den Literaturwissenschaften favorisiert zu werden scheint und als eine »Unterströmung des spatial turn« (Bachmann-Medick 2007: 299; Hervorh. i.O.) eingestuft werden könnte, zumal »Topographie als (Be-)Schreiben von Raum« (ebd.: 310) fassbar wird und mit Repräsentationen verknüpft ist, zeigt ein Blick auf literaturwissenschaftliche Raumdebatten, dass beide Begriffe eher undifferenziert zur Anwendung kommen. Siehe dazu beispielsweise Frank 2009 oder Mehigan / Corkhill 2013.

8 | Auch Tetzlaff bemerkt, dass »die Wende zum Raum […] sich als Bündelung des schon Dagewesenen zu einem neuen Fokus begreifen« lässt (Tetzlaff 2016: 6).

9 | Frank betont diesbezüglich, dass innerhalb der Literaturwissenschaft und somit auch der Literatur die »ideelle Hervorbringung« des Raums von Relevanz wird (Frank 2009: 62; Hervorh. i.O.). Vgl. dazu auch Hallet / Neumann 2009: 16 u. 22.

10 | Den »Thirdspace« definiert Soja »as a creative recombination and extension, one that builds on a Firstspace perspective that is focused on the ›real‹ material world and a Secondspace perspective that interprets this reality through ›imagined‹ representations of spatiality« (Soja 1996: 6). Vgl. hierzu auch Bachmann-Medick 1998: 29.

11 | Seine Überlegungen zur Heterotopie brachte Foucault erstmals 1966 in dem Radiovortrag »Les hétérotopies« in der Kultursendung Culture française und 1967 in dem vor einem Architektenpublikum gehaltenen Vortrag »Des espaces autres« zum Ausdruck. Auszüge aus »Des espaces autres« wurden zunächst 1968 in der Zeitschrift l’Architettura und endgültig 1984 in der Zeitschrift Architecture, Mouvement, Continuité publiziert. Vgl. Günzel 2017: 97f., sowie Schreiber 2009: 203. Zu den deutschsprachigen Fassungen vgl. Foucault 2007 u. 2013.

12 | Siehe dafür beispielhaft Tetzlaff 2016 sowie Tafazoli / Gray 2012.

13 | Foucaults Anwendung des Begriffs ›Heterotopie‹ geht auf die Medizin zurück: »Dort bezeichnet er ein Gewebe, das an einem Ort erscheint, an dem es üblicherweise nicht erscheint. Wichtiger als die medizinische Verwendungsweise des Begriffs ist für Foucault jedoch der Bezug auf Georges Batailles Projekt einer ›Heterologie‹, die – grob gesagt – das versammelt, was an Heterogenem bei der Produktion homogener Ordnungen entsteht und durch Verbot und Tabu ausgeschlossen wird.« (Klass 2008: 264)

14 | Als Beispiele für solche »Gegenräume« nennt Foucault »Gärten, Friedhöfe, Irrenanstalten, Bordelle, Gefängnisse, die Dörfer des Club Méditerranée« (Foucault 2013: 11).

15 | Siehe dazu ausführlich die Ausführungen von Gutjahr 2002, Hofmann 2006 u. Mecklenburg 2009.

16 | Kritisiert und bemängelt wird dieses Konzept vor allem deshalb, weil es als fragmentarisch und oberflächlich angesehen wird, denn es sind darin keine konkreten Kriterien enthalten, anhand derer Heterotopien eindeutig identifizier- und definierbar werden (vgl. Schreiber 2009: 203). Demnach stellt sich in der Forschung berechtigterweise die kritische Frage, was denn eigentlich »keine Heterotopie« (Günzel 2017: 102) sei. Darüber hinaus beanstandet Frank, dass es unklar sei, auf welche Zeitspanne sich Foucault genau beziehe, wenn er von »unsere[r] Zeit« spreche (Frank 2009: 58). Tafazoli und Gray argumentieren, dass womöglich gerade der fragmentarische Charakter des Heterotopie-Konzepts die Literaturwissenschaft dazu angeregt habe, »seine Anwendbarkeit auf literarische Texte und ästhetische Räume zu prüfen« (Tafazoli / Gray 2012: 7).

17 | Zu erwähnen ist in diesem Kontext zudem, dass Foucault auch in der Ordnung der Dinge von Heterotopien spricht, jedoch dabei eine andere Definition liefert. Heterotopien werden hier als sprachliche Klassifikationen bzw. Ordnungssysteme fassbar, die »in unserem Denken Vertrautheiten aufrüttel[n], die Ordnungen des Denkens und des Lebens erschütter[n], unsere Handhabung des Gleichen und des Anderen ins Schwanken bring[en] und uns folglich mit den Grenzen unseres Denkens« konfrontieren (Tafazoli / Gray 2012: 8). Vgl. hierzu auch Foucault 2008: 20.

18 | Bhabha zufolge ermöglicht der »Dritte Raum«, dass kulturelle Zeichen und Bedeutungsträger »neu belegt, übersetzt, rehistorisiert und gelesen werden können« (Bhabha 2000: 57).

19 | So haben vornehmlich fiktionale Texte das Potential, »heterogene Räume aufeinander zu beziehen und auf diese Weise gegebene Raumsysteme umzucodieren« (Hallet / Neumann 2009: 14).

20 | Erwähnenswert ist hierbei, dass der Geschichtswissenschaftler Karl Schlögel die Raumfokussierungen des spatial turn mit den zeitgeschichtlichen Umbrüchen in Europa in Zusammenhang bringt, zumal das Ende des Kalten Krieges vor allem die »(westliche) Wiederentdeckung der Städte, die bis 1989 auf der östlichen Seite des Eisernen Vorhangs liegen«, bewirkt hat (Günzel 2017: 111).

21 | Mit dieser Frage, die auf den Satz, »Europa ist kein Ort, sondern eine Idee«, von Bernard-Henri Lévy Bezug nimmt, setzt sich der interdisziplinäre Tagungsband Europa? Zur Kulturgeschichte einer Idee auseinander. Vgl. dazu Zelić / Sambunjak / Pintarić 2015.

22 | Zu verweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf aktuelle Debatten, in denen vom »Projekt Europa« die Rede ist, das, so in einem ZEIT-Beitrag, vor einer Explosionsgefahr stehe, da sowohl die Befürworter als auch die Kontrahenten dieses vielschichtig angelegten Projekts sich wie nie zuvor gegenüberstehen, so dass man »von einem Epochenwechsel sprechen« könne (Raether 2017).

23 | Vgl. auch Europa-Kolleg der Universität Münster (Hg.): Wo liegt Europa? Projektbeschreibung, online unter: https://www.uni-muenster.de/Europa-Kolleg/thementhema2.html [Stand: 1.4.2018].

24 | Norbert Mecklenburg zufolge besteht »das Hauptmerkmal dieses Romans und der Schreibweise der Autorin« im »Prinzip komischer Verfremdung« (Mecklenburg 2009: 528), so dass er darin »ein[e] modern[e] weiblich[e] Variante des guten alten Picaro-, des Abenteuer- und Schelmenromans« (ebd.: 523) sieht. Die thematische Vielschichtigkeit des Romans zeigt sich in der nicht eindeutig bestimmbaren Gattungszugehörigkeit, da der Roman »Züge des Arbeiterromans und eines Romans der Studentenbewegung, eines Bildungs- und eines Theaterromans, eines Frauenromans und eines interkulturellen Migrationsromans« (ebd.) enthält. Sargut Sölçün argumentiert in einer ähnlichen Richtung, wenn er die Naivität der Ich-Erzählerin als eine inszenierte und spezifische Erzähltechnik des Romans beschreibt und eine eingehende Analyse des Romans liefert (vgl. Sölçün 2002). Vgl. dazu auch Hofmann 2006: 214-226. Vgl. ebenso Karakuş 2015: 87-98. In dieser Arbeit konzentriert sich Karakuş auf die »Vielschichtigkeit der Darstellungsweise der Figuren« und nimmt dabei insbesondere die »ästhetisch[e] Repräsentation der Frau bzw. der Frauenproblematik« (ebd.: 88) unter die Lupe. Dabei akzentuiert er unter Bezugnahme auf Mecklenburg, dass im Roman die »Relativierung bzw. Kritik der Unangemessenheit der Beziehung zwischen Männern und Frauen« durch »das Gesellschaftlich-Komische« (ebd.: 97) ermöglicht wird. Auf den Gender-Aspekt geht auch Beverly M. Weber ein, die danach fragt, wie Özdamars Roman anhand der Darstellungen seiner Frauenfiguren die in Deutschland präsenten Diskurse über den ›Islam‹ sowie ›die muslimische Frau‹ in Frage stellt (vgl. Weber 2010: 37). Eine allgemeine Übersicht über das Werk der Autorin verschafft auch der KLG-Eintrag von: Ackermann / Hodaie 2011. Zu verweisen ist ebenso auf den Text+Kritik-Band, der sich mit dem Werk Özdamars auseinandersetzt: Siehe dazu Dayıoğlu-Yücel / Gutjahr 2016.

25 | Kirsten Prinz bemerkt, dass die Türen »auf ein Nicht-Innehalten-Können« (Prinz 2010: 185) der Protagonistin hinweisen.

26 | Zu raumtheoretischen Analysen dieses Romans siehe beispielsweise Martina Wagner-Egelhaaf, die darauf hinweist, dass bereits in den Titeln von Özdamars Romanen »Räumlichkeit« (Wagner-Egelhaaf 2005: 759) präsent ist. Auch Müzeyyen Ege akzentuiert in ihrem Artikel die Relevanz der Raumperspektive innerhalb der interkulturellen Literaturwissenschaft und bemerkt, dass das Werk von Özdamar »weitgehend von der oszillierenden Bewegung zwischen Städten und Erinnerungsräumen, von Grenzüberschreitungen und Überlappungen kultureller, sprachlicher und nationaler Räume zwischen Ost und West, Nord und Süd« (Ege 2016: 38) handelt. Deniz Bayrak und Sarah Reininghaus konzentrieren sich in ihrer Arbeit vor dem Hintergrund von Marc Augés Konzept der »Nicht-Orte« auf »die Motive des Bahnhofs und des Zugs« in Özdamars Brücken-Roman und gehen der Frage nach, »ob die genannten Örtlichkeiten als Mimesis realer Nicht-Orte im Sinne von Augé inszeniert werden oder aber durch die literarisch-ästhetische Umsetzung des Autors [sic] als (anthropologische) Orte dargestellt werden« (Bayrak / Reininghaus 2013: 13). Silke Schade untersucht mit Bezug auf die Raumausführungen von Edward W. Soja und Henri Lefebvre die kritische Bindung der Hauptfigur zu Berlin als eine Form, ein Heimatgefühl in der Migration herzustellen und eine persönliche Topographie von Berlin zu schaffen (vgl. Schade 2010: 321).

27 | Ausgehend von der Beobachtung, dass der Roman insbesondere auf »europäische Autoren und Filmemacher« Bezug nimmt und diese »zur Folie der kulturellen Selbstverortung« (Wagner-Egelhaaf 2005: 762) macht, stellt Wagner-Egelhaaf fest, »daß Deutschland in der Brücke vom Goldenen Horn als integraler Teil Europas in den Blick kommt und ein literarischer Europadiskurs geführt wird, für den die Binnendifferenz ›deutsch‹ keine hervorgehobene Rolle spielt« (ebd.: 763).

28 | Siehe zu diesem Aspekt auch Weber 2010: 49.

29 | Zur Erzähltechnik dieser Episode vgl. auch Mecklenburg 2009: 527f.

30 | Zur Zitation der Lyrik sowie zur mehrsprachigen Verfasstheit dieser Episode vgl. auch Cheesman 2007: 72.

31 | Siehe hierzu auch Uysal Ünalan 2017: 396.

32 | So wird der Name des Fabrikchefs, der eigentlich »Herr Schering« heißt, von den Arbeiterinnen zu »Herscher« (BGH 16) umformuliert. Laut Hofmann zeigen sich in dieser Umformulierung »in einer subversiven Verkehrung die Herrschaftsverhältnisse, die das Verhältnis von einheimischen Deutschen und ›Gastarbeitern‹ bestimmen« (Hofmann 2006: 216). Vgl. hierzu auch Uysal Ünalan 2017: 396.

33 | Zu dieser Textpassage siehe auch Weber 2010: 45 sowie Schade 2010: 330.

34 | So bemerkt auch Ortrud Gutjahr, dass die »Interkulturelle Literaturwissenschaft« darum bemüht sei, »eine Tradition zu rekonstruieren, die noch vor der Etablierung der Germanistik als Wissenschaft mit den Schriften zur Kulturkomparatistik von Johann Gottfried Herder, Georg Forster und Alexander von Humboldt beginnt und sich in kontinuierlicher Folge bis ins 20. Jahrhundert mit den kulturkritischen Schriften von Sigmund Freud, Georg Simmel und Max Weber, Ernst Cassirer, Walter Benjamin, Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Norbert Elias fortsetzt, um nur einige zu nennen« (Gutjahr 2002: 356f.).

35 | Dazu formuliert Schade, dass »[t]he physical space of the train station is a process: originally created by humans, its forms has been changed by war; as a ruin, it is reclaimed by a young protagonist who seeks a place of contemplation« (Schade 2010: 331).

36 | Zur Gegenüberstellung von ›toten Orten‹ und ›lebendigen Räumen‹ vgl. Certeau 2007: 346. Vgl. dazu ebenso Füssel 2013: 33.

37 | In der Literaturwissenschaft wie auch Kulturwissenschaft dienen Auto- und Heterostereotype »zur Bezeichnung von stark vereinfachten, schematisierten […], feststehenden und weit verbreiteten Vorstellungen einer Gruppe von einer anderen (Hetero-St.) oder von sich selbst (Auto-St.)« (Nünning 2001: 602).

38 | Ich möchte im Zusammenhang dieser Arbeit ebenfalls auf Eva-Maria Esselings Analyse eines Theaterstücks von Emine Sevgi Özdamar mit dem Titel Perikizi hinweisen. In ihrer Analyse stellt Esseling fest, dass Europa in diesem Stück »weder ein Ort noch eine Idee« zu sein scheine, »sondern zu verstehen« sei »als zahlreiche Räume, die aus einer Vielzahl an Bewegungen und Irrfahrten entstehen« (Esseling 2015: 234; Hervorh. i.O.).

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