Editorial

Als »interdisziplinär und komparatistisch offenes Organ« – so das Editorial der ersten Nummer – wurde die Zeitschrift für interkulturelle Germanistik vor nunmehr acht Jahren gegründet. Im vorliegenden Heft kommt die Interdisziplinarität insofern etwas zu kurz, als wir keinen im engeren Sinne linguistischen Beitrag präsentieren können – was wir zum Anlass nehmen wollen, die linguistischen Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich zu einem verstärkten Engagement zu ermuntern! Dafür aber ist die komparatistische Dimension des Hefts umso ausgeprägter: Gegenstand des Interesses sind unter anderem Texte auf Rumänisch und Französisch; die in den Blick genommenen Literatur- und Kulturbeziehungen schließen etwa die böhmischen Länder des Mittelalters und die baltischen Ostseeprovinzen des Zarenreichs ein; und die Schauplätze der behandelten Texte erstrecken sich über fast alle bewohnten Kontinente – nur Australien ist nicht vertreten, dafür aber das ozeanische Samoa. Dennoch spielt so gut wie durchgängig Deutschsprachigkeit eine Rolle – und insofern bleibt die interkulturelle Germanistik Gegenstand der Zeitschrift. Es ist aber vielleicht nicht überflüssig, daran zu erinnern, dass diese Zuschreibung programmatisch unscharf ist und es auch bleiben soll: Texte, Menschen, Länder usw. sind immer nur ›mehr oder weniger‹ deutschsprachig in dem Sinne, dass Einzelsprachigkeit, anders als es die Muttersprachensemantik der Neuzeit will, keineswegs naturgegeben ist, sondern durch die beständige sprachpolitische Einhegung sprachlicher Varianz hergestellt wird. Die einzelsprachige Einschränkung vieler Philologien ist insofern, nicht nur, aber vor allem dann, wenn sie sich interkulturell ausrichten, letztlich in erster Linie pragmatischen Zwängen geschuldet: Wir alle sind in unserer Sprachkompetenz leider begrenzt.

Neben Aufsätzen und Rezensionen bringt das Heft im »Forum« zwei Berichte, von denen der eine sich einer Luxemburger Tagung über den Stand der Kultur- und Geisteswissenschaften insgesamt widmet und damit zur interdisziplinären Öffnung der Zeitschrift beiträgt, während der andere in einem ausführlichen Referat über die Flensburger Tagung der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik im September 2017 einen Überblick über aktuelle Tendenzen der germanistischen Interkulturalitätsforschung bietet. Eine Neuerung dieses Hefts besteht darin, dass wir die Rubriken »Beiträge zur Kulturtheorie und Theorie der Interkulturalität« sowie »Literarischer Essay« zusammengefügt haben unter dem neuen Titel »Aus Literatur und Theorie«. Hier würdigen wir den zweihundertsten Geburtstag von Karl Marx mit dem Abdruck des ersten Abschnitts des ebenso berühmten wie kontrovers diskutierten Kommunistischen Manifests. Wir wollen damit zum einen auf die genuin literarischen Qualitäten dieses wohl einflussreichsten Essays in der Moderne aufmerksam machen, zum anderen bietet der Text genügend Anregungen zu einer kritischen Revision Marx’scher Positionen aus interkultureller Perspektive.

Abschließend eine Anmerkung in eigener Sache: Ab dem Winterheft dieses Jahres erweitert sich der Herausgeberkreis der Zeitschrift um Wilhelm Amann und Till Dembeck, die die Zeitschrift bereits seit einigen Jahren in der Redaktion mitbetreuen.

Bayreuth und Esch-sur-Alzette im Mai 2018

Dieter Heimböckel, Georg Mein, Gesine Lenore Schiewer und Heinz Sieburg