GiG im Gespräch 2018 / 1

Gesine Lenore Schiewer

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

liebe Mitglieder der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik,

sehr geehrte Leserinnen und Leser der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik,

nachdem die letzte Jahrestagung und Mitgliederversammlung der GiG an der Universität Flensburg im September 2017 stattfand, kann ich an dieser Stelle davon berichten. Außerdem möchte ich im Format der ›Kurzrezension‹ auf einige ausgewählte, kürzlich erschienene Publikationen aufmerksam machen, und schließlich finden Sie dieses Mal in GiG im Gespräch auch bereits einige Informationen zu der GiG-Tagung 2018 in Ouidah (Benin).

Die wieder sehr große Tagung wurde in Flensburg von Iulia-Karin Patrut und Matthias Bauer hervorragend organisiert und geleitet; beiden danke ich hier nochmals ganz ausdrücklich für ihre herzliche Gastfreundschaft. Damit war in diesem Jahr Norddeutschland erstmals Tagungsort.

Wie in der interkulturellen Germanistik üblich, suchten wir den Austausch im Deutschen als der uns allen gemeinsamen Sprache. Dabei geht es aber genau genommen um etwas, was man auch die Quadratur des Kreises nennen kann: Trotz – und das ist zu betonen – der gemeinsamen Sprache sind wir an der Vielfalt an Perspektiven interessiert. Das ist eine besondere Situation, bei der wir uns angewöhnt haben, von Innen und Außen zu sprechen – genau genommen handelt es sich aber um ein dynamisches Kontinuum von Positionen, die mal mehr und mal weniger mit Nähe und Distanz verbunden sind, mit mehr oder weniger Identifikation bzw. Distanzierung, mit zu einem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam geteilten und weniger oder nicht geteilten Lebenswelten. Im Hinblick auf diese Differenzierung profitiert unser wissenschaftlicher Austausch gerade von unserem TROTZ – und zwar als Präposition und als Substantiv: der Verwendung der Wissenschaftssprache Deutsch unter den Bedingungen Ihrer aller Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität, die weite Zugänge ermöglichen.

Der Gegenstand unseres Nachdenkens war im vergangenen Jahr: Europa in der Gegenwart. Ich drücke es bewusst hier mal so schlicht aus. Denn angesichts der Schmucklosigkeit der Formulierung könnten wir stutzen: Ist das überhaupt ein germanistisches Thema – oder eher etwas für die Politologie, Soziologie, Geschichtswissenschaften etc.? Ich wende es andersherum und betone: Es ist sehr zu begrüßen, dass die interkulturelle Germanistik sich Themen mit sozialgeschichtlichem Bezug zu eigen macht und sich – im weitesten Sinn – mit Aspekten der Organisation von Gesellschaften befasst – sei es unter Akzentuierung von Ansätzen der interkulturellen Linguistik und Mehrsprachigkeitsforschung oder aber der interkulturellen Literaturwissenschaft und Mediävistik oder der fremd- und zweitsprachlichen Didaktik oder der Translationswissenschaft.

Was können solche Ansätze im Zusammenhang der Thematik »Europa im Wandel« leisten? Bitte erlauben Sie mir einige wenige Bemerkungen, mit denen ich mich auf ein Schreiben beziehe, das wir im Rahmen des von Jörg Roche und mir geleiteten IFC an der LMU München auf Bitte des damaligen Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer verfasst haben. U.a. die Soziologie zeigt, darauf verweisen wir dort, dass das moderne Leben von Gesellschaften der Gegenwart in hohem Maß durch einen kommunikations- und textbezogenen Charakter gekennzeichnet ist. Die Beschränkung auf eine einzige Leitsprache wird daher schon im Alltag weder den kommunikativen Erfordernissen noch dem europäischen Grundgedanken und den berechtigten Anliegen und Befürchtungen der ›kleinen Sprachen‹ gerecht. Die vermeintliche ›Bescheidenheit‹ – die angeblich in der Bevorzugung v.a. des Englischen gegenüber dem Deutschen und anderen Sprachen liegen soll – ist daher auch oft keine Öffnung, sondern kann ein rückwärtsgewandtes Abschließen und nicht selten eine falsch verstandene Internationalität sein. Man hält sich den Blick, die Auseinandersetzung und die Kritik Anderssprachiger gewissermaßen ›einfach vom Leib‹.

Genau das ist es, was wir nicht tun, auch wenn Deutsch Tagungssprache und deutschsprachige Texte Untersuchungsgegenstand von Germanistinnen und Germanisten sind: Hier arbeiten sowohl interkulturelle als auch internationale und mehrsprachige Kolleginnen und Kollegen zusammen, so dass sie Europa ›auf den Leib‹ rücken können.

Die Beiträge werden natürlich breit dokumentiert und entsprechende Informationen zu den verschiedenen Publikationsformaten wie gewohnt per Rundmail verschickt.

Die GiG-Mitgliederversammlung fand am 13. September 2017 statt. Das Protokoll, für das ich unserem Kollegen Heinz Sieburg (Universität Luxemburg) hier nochmals sehr danke, wurde am 11. Januar 2018 per Rundmail verschickt, so dass ich mich an dieser Stelle auf einige besonders wichtige Punkte konzentrieren kann.

Hierzu gehört das Feld der steuer- und vereinsrechtlichen Fragen. Kurz zusammengefasst: Ich kann die sehr erfreuliche Mitteilung machen, dass wir alles richtig gemacht haben. Die Steuererklärung 2017 der GiG ging ohne Rückfragen und ohne Beanstandungen des zuständigen Finanzamtes über die Bühne, womit auch die für die Gesellschaft so wichtige Gemeinnützigkeit bestätigt wurde.

Hiermit verbunden waren teilweise die von den Mitgliedern beschlossenen Änderungen der Satzung, welche vom zuständigen Amtsgericht ebenfalls bestätigt wurden. Somit ist jetzt die GiG-Satzung in der im September beschlossenen Fassung offiziell.

Insbesondere entschieden sich die Mitglieder – auch dies vor einem steuerthematischen Hintergrund – für die Vergabe eines Nachwuchspreises und eines Preises für etablierte Kolleginnen und Kollegen, jeweils in Höhe von 2500,- Euro. Diese beiden Preise werden wir in den nächsten Wochen ausschreiben und Sie natürlich in einer Rundmail darüber informieren und zur Nominierung einladen.

Wie eingangs erwähnt, sollen an dieser Stelle auch einige Publikationen angesprochen werden. Dazu gehören zunächst die Akten der GiG-Tagung 2016 in Ústí nad Labem und Prag, denn inzwischen liegen mit dem Heft 2017 / 2 der ZiG und dem 11. Jahrgang der Aussiger Beiträge zwei der insgesamt vier geplanten Publikationen vor. Mit dieser einerseits literaturwissenschaftlichen und andererseits linguistischen Akzentuierung wird das fachliche Spektrum der interkulturellen Germanistik begrüßenswert weit abgedeckt.

In den letzten Wochen haben mehrere GiG-Mitglieder um die Versendung von Rundmails gebeten. Insbesondere betrafen sie Panels, die im Rahmen der nächsten IVG, mit der die GiG in engem Austausch steht, stattfinden sollen (mir ist auch sehr wohl bewusst, dass Sie viele E-Mails erhalten haben, und wenn es ganz leise im Raum war, meinte ich gelegentlich, ein gerauntes »Oh, mein Account ist so voll« vernehmen zu können …).

Außerdem waren auch zwei Mitteilungen darunter, die auf aktuelle Publikationen unserer Mitglieder aufmerksam machten. Beide möchte ich an dieser Stelle nochmals herausheben: Anlässlich der Emeritierung des GiG-Mitglieds Withold Bonner hat Ewald Reuter die Festschrift Dynamische Gesellschaften – dynamische Kulturen. Sprachliche Verständigung im globalen Zeitalter herausgegeben, an der sich eine ganze Reihe von GiG-Mitgliedern mit Beiträgen beteiligt hat. Ganz herzlich möchte ich Withold Bonner hiermit auch meinerseits alles Gute wünschen. Der zweite Band ist von Götz Grossklaus, der es sich unter dem Titel Das Janusgesicht Europas. Zur Kritik des kolonialen Diskurses zur Aufgabe macht, anhand historischer Quellen und literarischer Texte von Kolumbus bis Heinrich Heine und Joseph Conrad das mentale Programm des europäischen Kolonialismus zu rekonstruieren.

Schon in der letzten Ausgabe der Rubrik GiG im Gespräch kam ich auf das Feld der interkulturellen Kommunikation zu sprechen, und hieran anschließend bietet es sich an, auf die dritte, völlig neu eingerichtete Auflage der 2017 im Nodus Verlag Münster mit einem Vorwort von Karin Kolb-Albers und H. Walter Schmitz herausgegebenen Kommunikationstheoretischen Schriften I. Sprechen, Mitteilen, Verstehen von Gerold Ungeheuer aufmerksam zu machen. Damit liegt nun eine Auswahl von Aufsatzarbeiten eines, wie ich meine, nach wie vor außerordentlich anregenden Kommunikationswissenschaftlers vor, der sich zudem in ungewöhnlicher Weise mit der Geschichte kommunikationstheoretischen Denkens befasst hat.

Schließlich möchte ich es mir nicht nehmen lassen, auf einen weiteren Band hinzuweisen, von dem ich denke, dass er bei Ihnen auf Interesse stoßen kann. In diesem Jahr erschien der Band Sandscript mit ausgewählten Gedichten von 1987 bis 2018 im deutschen Original des bedeutenden Lyrikers und Chamisso-Preisträgers José F.A. Oliver und englischen Übersetzungen von Marc James Mueller bei White Pine Press, Buffalo / New York. Formal äußerst komplexe und zugleich inhaltlich hoch anspruchsvolle deutschsprachige Lyrik in englischer Übersetzung, vom Übersetzer ausführlich und informativ eingeleitet – vielleicht ist dies ein Impuls für weitere Übersetzungen in Ihre Sprachen? Aus meiner Sicht ist dies ohne Frage eine sehr verdienstvolle Leistung interkultureller Literaturarbeit.

Zur GiG-Tagung 2018, die den Titel »Die Welt und Afrika – Neue Wege interkultureller Sprach- und Literaturforschung« trägt, wurde von den Kolleginnen und Kollegen in Cotonou (Benin) und Lomé (Togo) unter der Federführung von Simplice Agossavi, Akila Ahouli und Friederike Heinz eingeladen, und es sind weit über 100 Beitragsvorschläge eingegangen. Auch dies wird also eine recht große Tagung werden. In einer ersten Rundmail wurden inzwischen das vorläufige Programm und nützliche Hinweise verschickt. Demnächst wird auch die Tagungswebsite freigeschaltet werden. Im März dieses Jahres hatte ich bereits Gelegenheit, den Tagungsort Ouidah mit seinem Unesco-Weltkulturerbestatus, direkt am Strand gelegen, zu besichtigen, und ich denke, dass wir wieder einer Tagung mit besonderem Flair entgegenblicken dürfen. Für die Organisation und die damit verbundene Arbeit danke ich allen Beteiligten vor Ort schon jetzt vielmals.

Für heute grüßt Sie sehr herzlich, verbunden mit den besten Wünschen für die kommenden Frühlings- und Sommermonate

Ihre

Gesine Lenore Schiewer

Literatur

Grossklaus, Götz (2017): Das Janusgesicht Europas. Zur Kritik des kolonialen Diskurses. Bielefeld.

Oliver, José F.A. (2018): Sandscript. Selected Poetry 1987-2018. Translation & Introduction by Marc James Mueller. Buffalo / New York.

Reuter, Ewald (Hg.; 2017): Dynamische Gesellschaften – dynamische Kulturen. Sprachliche Verständigung im globalen Zeitalter. Festgabe für Withold Bonner. Tampere.

Ungeheuer, Gerold (32017): Kommunikationstheoretische Schriften I. Sprechen, Mitteilen, Verstehen. Münster.